Vietnamesinnen als Verkaufsschlager

■ Zuhälter in Kambodscha machen Riesengeschäfte mit Vietnamesinnen. Wegen ihrer helleren Hautfarbe sind sie begehrter und teurer als einheimische Prostituierte

Etwa eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit dem Moped von Phnom Penh nach Svay Pak, das im Volksmund auch „Dorf Nr. 11“ genannt wird. Denn genau am Kilometerstein elf führt ein Matschweg von der Hauptstraße zu der kleinen Siedlung, die aus etwa 30 geklinkerten Gebäuden und einigen einfachen Holzhütten besteht. Die Räume im Erdgeschoß der Häuser sind zur Straße hin offen. Gruppen von Mädchen sitzen gelangweilt auf Plastikstühlen.

Sie alle sind auffallend jung, auffallend hellhäutig und stark geschminkt: Svay Pak ist ein rein vietnamesisches Bordelldorf, mitten in Kambodscha. Die Mädchen, die hier arbeiten, sind jünger und hübscher als die in den übrigen Prostitutionszentren Phnom Penhs. Svay Pak ist ein beliebtes Ausflugsziel hoher kambodschanischer Regierungsbeamter und ausländischer Geschäftsleute.

In einem der Empfangsräume wartet die kleine, zierliche Long auf Kunden. Sie sagt, sie sei achtzehn; doch sie sieht nicht älter aus als zwölf. Eine dicke Puderschicht läßt ihr Gesicht noch weißer wirken, als es ohnehin schon ist. Wegen ihrer hellen Hautfarbe gelten vietnamesische Frauen als schöner, sauberer und begehrenswerter als die dunkelhäutigen Kambodschanerinnen.

Eine Nacht mit einer Vietnamesin kostet deshalb häufig doppelt soviel wie mit einer einheimischen Prostituierten. Long erzählt, daß sie seit fünf Monaten in Kambodscha lebt. Eines Tages war eine fremde Frau in das Dorf ihrer Familie nahe der kambodschanischen Grenze gekommen. Sie versprach Longs Eltern, für ihre Tochter Arbeit in einem Restaurant in Phnom Penh zu finden. Für den Vermittlerdienst ließ sie sich von Longs Eltern gut bezahlen.

Kaum in Phnom Penh angekommen, verkaufte die Kupplerin das Mädchen jedoch an ein Bordell im Dorf Nr. 11 – für rund 300 Dollar. Die hohe Ausgabe konnte der vietnamesische Bordellbesitzer schnell wieder wettmachen. Reiche Kambodschaner, aber auch in Phnom Penh lebende Ausländer – vor allem Chinesen oder Thailänder – bezahlen bis zu 500 Dollar für eine Nacht mit einer Jungfrau.

Wer durch die riesigen Bordellgegenden Phnom Penhs läuft – allen voran das schäbige Viertel Toul Kork im Zentrum der Stadt –, bekommt den Eindruck, daß die vietnamesischen Prostituierten bei weitem in der Überzahl sind. Tatsächlich sind rund die Hälfte der etwa 200.000 Prostituierten in Kambodscha Vietnamesinnen. Die ersten kamen 1979 ins Land, als vietnamesische Truppen nach Kambodscha einmarschierten und die Schreckensherrschaft der Roten Khmer beendeten. Ihre Zahl nahm jedoch drastisch zu, als 1992 die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (Untac) mit ihren mehr als 20.000 Blauhelmen und Beamten in Kambodscha eingerichtet wurde. Überall schossen damals Bordelle und Massagesalons aus dem Boden. Um den Nachholbedarf der Untac-Mitarbeiter zu befriedigen, strömten immer mehr vietnamesische Prostituierte ins Nachbarland.

Der Großteil von ihnen arbeitet aus freien Stücken in Kambodscha. Denn im Gegensatz zu Vietnam ist Prostitution hier nicht illegal, und die Verdienstmöglichkeiten sind höher. Rund ein Drittel der Mädchen und jungen Frauen sind jedoch – wie Long – in die Prostitution verkauft worden. Ihre Geschichten sind austauschbar. Vorgebliche „Arbeitsvermittler“ versprachen ihnen, eine Stellung als Köchin, Kellnerin oder Friseurin in Phnom Penh zu bekommen, verkauften sie statt dessen aber an ein Bordell.

Die Zuhälter sind zum Teil Kambodschaner, zum Teil Vietnamesen. Die Mädchen werden wie Leibeigene gehalten, müssen 24 Stunden am Tag verfügbar sein. „Sie sind den ganzen Tag eingesperrt, damit sie nicht weglaufen“, sagt Hanny Lee, eine chinesischvietnamesische Köchin, die in einem Restaurant im Bordellviertel Toul Kork arbeitet. „Ich habe oft gesehen, wie sie von den Bordellbesitzern geschlagen werden. Sie betrachten die Mädchen als ihr Eigentum, weil sie viel Geld für sie bezahlt haben.“

In einem Land, das von Chaos, Korruption und Machtkämpfen gezeichnet ist, in dem Regierungsbeamte und hohe Polizeioffiziere schützend ihre Hand über Bordellbesitzer halten, interessiert sich niemand für das Schicksal der verkauften Vietnamesinnen. Nur einige regierungsunabhängige Organisationen wie Care haben Kontakt zu ihnen. Viel ausrichten können sie jedoch nicht. „Wenn die Mädchen sich uns gegenüber beschweren, nützt das nicht viel“, sagt Hanna Phan von Care. „Sie müssen direkt zu einer Menschenrechtsorganisation gehen. Es dauert aber auch dann lange, bis man eindeutige Beweise findet, bis nachgewiesen werden kann, daß sie wirklich von einem Betrüger in die Prostitution verkauft worden sind.“

Die Mädchen können erst dann das Bordell verlassen, wenn sie eine bestimmte Ablösesumme erarbeitet haben. Vielen wird danach jedoch gleich die nächste Falle gestellt. Immer wieder bringen Bordellbesitzer befreundete Polizeibeamte dazu, ein gerade freigelassenes Mädchen unter einer fadenscheinigen Begründung festzunehmen. Sie geben dann vor, das Mädchen für eine große Geldsumme freizukaufen. Der Kreislauf der Verschuldung beginnt erneut.

Aber auch für diejenigen, die tatsächlich freikommen, ist die Rückkehr nach Vietnam problematisch. Viele sind illegal über die Grenze gekommen, haben keine Papiere. Es ist mehr als ungewiß, ob Vietnam sie überhaupt wieder ins Land läßt. Auch der große Gesichtsverlust hält viele von einer Rückkehr in ihr Heimatdorf zurück. Viele der jungen Frauen finden sich deshalb mit ihrem Schicksal ab und bleiben als Prostituierte in Kambodscha. Claudia Blume