20-RTL-Millionen für Schröder

RTL hielt sich mit dem „großen TV-Roman“ nicht an den Rundfunkstaatsvertrag und muß alle Werbeeinnahmen daraus an Niedersachsen zahlen  ■ Von Jürgen Voges

Um die Autorität der niedersächsischen Landesmedienanstalt zu stärken“, hat Amtsrichter Ulrich Kleinert in Hannover gestern ein bisher beispielloses Urteil gegen den Privatfernsehsender RTL gesprochen und dabei die Landeskasse gleich mitbedacht. 20,125 Millionen Mark Werbeeinnahmen von RTL zugunsten des Landes Niedersachsen verfallen mit dem Richterspruch. Das Geld stammt aus 43 Werbeblöcken, die RTL rechtswidrig in 34 Filmen geschaltet hatte. Ausgestrahlt wurden sie unter dem Obertitel „Der große TV-Roman“.

Durch ein rechtswidriges und mit Bußgeld bedrohtes Handeln dürfe man nicht auch noch Einnahmen erzielen, urteilte Amtsrichter Kleinert und sprach die gesamten zu Unrecht erzielten Einnahmen dem Land Niedersachsen zu. Nicht einmal einen Teil der Filmproduktionskosten oder die von RTL auf die Einnahmen gezahlten Steuern wollte der Richter von den Werbemillionen abziehen. Die Steuern könne RTL sich ja beim Finanzamt zurückholen.

In den 34 Filmen hatte RTL gegen den ausdrücklichen Willen der Landesmedienanstalt alle 20 Minuten Werbeblöcke geschaltet und damit gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen. Der schreibt vor, daß Fernseh- oder Spielfilme nur alle 45 Minuten von Werbung unterbrochen werden dürfen. RTL hatte die inhaltlich nicht zusammenhängenden Filme jedoch unter dem Obertitel „Der große TV-Roman“ laufen lassen und wollte so die nur für Filme geltende 45-Minuten-Werberegel umgehen. Fernsehserien, im Rundfunkstaatsvertrag schlicht „Reihen“ genannt, dürfen alle 20 Minuten für lukrative Werbung unterbrochen werden.

Diese Trickserei wollte der Amtsrichter nicht mitmachen: „RTL wollte den Begriff der Reihe in seinem Sinne neu definieren“, urteilte Richter Kleinert. Teile einer Fernsehreihe müßten jedoch „ein gemeinsames inhaltliches Konzept, gemeinsame Wesensart, die gleichen Handlungsträger oder eine fortgesetzte Handlung“ aufweisen. Dies alles vermißte der Richter bei den TV-Roman-Sendungen.

Da ein Bußgeldverfahren wegen der 43 Werbeblöcke gegen RTL-Chef Helmut Thoma eingestellt worden war, versuchte sich RTL herauszureden: Irrtümlich seien zu viele Werbeblöcke geschaltet worden.

Bereits im November 1993 hatte die Landesmedienanstalt den Sender darauf hingewiesen, daß es sich bei den Fernseh-Romanen nicht um eine Reihe im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages handele. RTL blieb dennoch bis Mitte 1994 bei den Werbeblöcken im 20-Minuten-Takt. Gleichzeitig versuchte der Sender erfolglos, per einstweiliger verwaltungsgerichtlicher Anordnung die TV-Romane zur Reihe erklären zu lassen.

Einer Entscheidung des Oberverwaltungsgericht (OLG) Lüneburg gegen RTL vom Juli 1994 ist Amtsrichter Kleinert in der strittigen Reihen-Frage weitgehend gefolgt. Der Prozeßvertreter von RTL, der Frankfurter Rechtsanwalt Jürgen Pauly, kündigte jedoch noch im Gerichtssaal Beschwerde vor dem OLG Celle an. Die niedersächsische Landesmedienanstalt ist für den Kölner Privatsender zuständig, weil RTL einst zuerst in Niedersachsen lizensiert wurde.