Papa Graf: Vom Saulus zum Paulus

■ Ausnahmezustand im Mannheimer Landgericht zu Prozeßbeginn. Peter Graf nimmt seine Tochter Steffanie in Schutz

Mannheim (taz) – Beim Landgericht Mannheim finden heute drei Prozesse statt. In Saal 3 steht eine mutmaßliche Trickbetrügerin aus Weinheim in ihrer Berufungsverhandlung vor Gericht, in Saal 2 muß sich ein Mann aus Mosbach wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung verantworten. Und dann ist da noch so eine Verhandlung wegen des vergleichsweise banalen Kavaliersdelikts der Steuerhinterziehung in Saal 1.

Doch das ist der Prozeß, der für den Ausnahmezustand vor und im Gerichtsgebäude sorgt. Peter Graf, Vater einer sehr erfolgreichen Tennisspielerin, muß seit gestern dafür geradestehen, daß der Staat bisher 19 Millionen Mark weniger Steuern eingenommen hat, als er haben will.

Die Diagonale vom Eingang des Gerichtsgebäudes zum Eingang von Saal1 ist fast 50 Meter lang. Vier Meter breit ist der Cordon, den Polizistinnen und Polizisten mit bauchhohen Metallgittern entlang der Diagonale abgesperrt haben. Die Aula ist zweigeteilt. Wenn Zeugen aus den beiden anderen Prozessen kommen und ihr Zeugengeld bei der Gerichtskasse gegenüber abholen wollen, müssen Polizisten jedesmal die Gitter zur Seite schieben, um den Weg freizumachen. Der Saal hat nur 128 Sitzplätze.

Das Landgericht hat noch einen Zugang, eine Einfahrt in die Tiefgarage. Um 8.34 Uhr ist Peter Graf in einem unscheinbaren, weißen Golf da hineingefahren worden, danach ging das Metallrollo runter, einige Polizisten schafften es nicht mehr rechtzeitig auf die andere Seite. Ausgetrickst! Nur wenige Fotografen haben das Foto „Papa Graf im Auto auf dem Weg zum Prozeß“ geschafft.

Zu Beginn erhebt Graf in einer persönlichen Erklärung schwere Vorwürfe gegen die Finanzverwaltung. Er sei unfair behandelt und massiv getäuscht worden, beschwert er sich. Hätten die Behörden ihn 1991 darüber informiert, daß sie ihn der Steuerhinterziehung verdächtigten, hätte er die Steuererklärungen nachreichen können, und es wäre zu keinem Strafverfahren gekommen.

Nachdrücklich stellt sich der 58jährige vor seine Tochter. Sie sei bis zur Durchsuchung des Brühler Familienanwesens im Mai 1995 durch die Steuerfahndung in keiner Weise mit Steuerangelegenheiten befaßt gewesen. Er selbst habe die umfassende Vollmacht über das Vermögen gehabt. „Mir liegt daran, daß diese Hauptverhandlung ein Neuanfang wird. Mehr kann ich für meine Tochter nicht tun“, erklärte Papa Graf mit tränenerstickter Stimme.

Graf geht in seiner Erklärung auch auf die von ihm und seinen Beratern in Holland aufgezogene Firma Sunpark ein, die nach Auffassung der Steuerfahnder eine Strohfirma zur Geldwäsche war. Vor die Entscheidung gestellt, zu bleiben oder wie andere Spitzensportler aus Steuergründen ins Ausland zu gehen, sei ihm von „politischer Ebene“ eine verständnisvolle steuerliche Behandlung zugesichert worden. „Man hatte uns versprochen, eine Auswanderung sei nicht nötig“, sagte Graf. Er machte aber keine näheren Angaben über diese „politische Ebene“.

„Natürlich ging es bei dem holländischen Modell um Steuerersparnis“, erklärte Graf. Er habe zwar stets Bedenken gegen die Sunpark-Konstruktion gehabt, doch wegen großer persönlicher Probleme eine Lösung immer weiter vor sich hergeschoben. Aber das Problem hätte sich damals lösen lassen, wenn die Finanzbehörden ihn rechtzeitig über ihren Verdacht informiert hätten.

Anschließend erklärt auch Grafs Anwalt, Franz Salditt, die Behörden als die wahren Schuldigen. Er sagte: „Die Vermeidung der verfolgten Tat lag von vornherein in der Hand der Behörden.“ Bis auf weiteres will Peter Graf keine Aussage mehr machen.

Mannheim hat einen besonderen Stadtplan, weil die Stadt auf dem Reißbrett für den Fürsten entworfen wurde. Es gibt kaum Straßennamen in Mannheim, dafür Blocks. Rund um Block A1, nahe dem Schloß, das heute die Uni ist, ist die Peter-Graf-Schicksalsmeile. In der Klinik Sankt Hedwig, in B1, direkt gegenüber der Rückseite des Landgerichts, wurde vor 27 Jahren Stefanie geboren, das Mädchen, das ihn zu einem gutbezahlten Vater machte. In L1, das seltsamerweise auf der anderen Seite an A1 anschließt, sitzt die Finanzbehörde. Und in A1 direkt ist der Gerichtssaal, in den Peter Graf in nächster Zeit oft gebracht werden wird. Christian Litz/klh