Unterbewußtes Aufstoßen

■ Phillip Boa von Voodoocult über Psychoanalyse, Tod und richtigen Metal

taz: Ist Deine Metal-Band Voodoocult der Versuch, vom Status des Popstars wegzukommen?

Phillip Boa: Ich wollte nie Popstar sein, ich mache all das aus Liebe zur Musik oder zur Arbeit. Das Tragische an Voodoocult ist, daß die eigentliche Idee stirbt. Die Idee war ja, daß ich einer von vielen bin, daß innerhalb der Band Demokratie herrscht. Die Journalisten haben aber immer nur Interesse an meiner Person, die Medien zerstören das.

Du wehrst Dich dagegen, Voodoocult als bloßen Metal zu definieren. Was ist es dann?

Für mich ist das eine Hommage an verzerrte Gitarren. Es ist eine Ästhetik der Aggression, eine manifestierte Wut. So sehe ich das. Aber vielleicht ist es ja auch Metal, nur hauen diese Begriffe sowieso nie hin.

Du bedienst Dich ja sehr vordergründiger Metal-Elemente wie dieser sehr harten Gitarren. Dazu kommen jedoch harmonische Melodiebögen und Texte, die ja erst recht nicht typisch für Metal sind.

Ja, das stimmt. In jeder Minute des Entstehungsprozesses der zweiten Platte Voodocoolt beabsichtigten wir, kein typisches Metalalbum zu machen. Denn das haben wir ja auf der ersten Platte Jesus Killing Machine schon gemacht.

Die neue Platte riecht dafür stark nach einer Selbstanalyse.

Da ist was dran.

Die ständige Beschäftigung mit dem Tod...

Das habe ich früher schon häufig gemacht.

Und das kommt ja nun wieder.

Ich habe sehr viel gelesen, und es ist einfach so, daß alle Philosophen sich mit dem Tod beschäftigen. Ich will mich da weiß Gott nicht einreihen, aber dieses Thema ist unendlich spannend. Jeder Philosoph kommt jzu dem Schluß, daß das Leben keinen Sinn macht. Und dann hat man nur zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht, das Beste daraus zu machen, oder man bringt sich um.

Das klingt ja alles sehr viel offensichtlicher persönlich, als man es von Dir gewohnt ist.

Solche Einwände interessieren mich nicht. Ich singe einfach meine Texte, und ich weiß, daß die von vielen Leuten definitiv nicht verstanden werden. Nicht etwa nur mißverstanden, sondern die Logik wird nicht verstanden. Aber das ist mir egal, ich mache die Texte ja im Sinne einer Selbstverwirklichung. Ich versuche, mein Unterbewußtsein aufzustoßen und zu dokumentieren, was in mir ist.

Und dann?

Vielleicht sollte man jetzt Schluß machen mit Voodoocult. Die Geschichte ist erzählt, das Buch zugeschlagen. Das sehe ich gerade so, was aber morgen schon wieder anders aussehen kann.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

Sa., 15. April, Große Freiheit, 21. 30 Uhr