Die Feigheit vor dem Kanzler

■ Die ostdeutschen CDU-Abgeordneten stimmten alle dem Sparpaket zu und werden auch die ABM-Kürzungen Ost absegnen

Bonn (taz) – Zuerst lamentierten sie noch dagegen. Inzwischen scheinen die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten der CDU glühende Anhänger des Sparpakets zu sein, das am vergangene Freitag mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP verabschiedet worden ist. Vergessen sind all die Versprechungen und großen Worte des Sommers. Noch Anfang Juli hatten CDU-Abgeordnete wie Paul Krüger und Wolfgang Dehnel signalisiert, sie würden ihre Zustimmung zum Sparpaket verweigern, wenn nicht die angekündigte Kürzung der ABM-Maßnahmen zurückgenommen werde. Nun haben sich die Ostdeutschen ein neues Datum gesetzt: Zur „Nagelprobe“, so der CDU-Abgeordnete Ulrich Junghanns aus Frankfurt (Oder), soll es erst kommen, wenn Anfang November über die Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes abgestimmt wird.

Gegen das jetzt verabschiedete Sparpaket haben die ostdeutschen Abgeordneten hingegen nichts einzuwenden. Kürzungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe es auch schon zu DDR- Zeiten gegeben, meint Ulrich Junghanns. Für die ostdeutschen Abgeordneten falle die Zustimmung zu einer entsprechenden Regelung daher nicht schwer. Die Verschärfung beim Kündigungsschutz rege dort auch niemanden auf. Gerade da, wo Unternehmen fehlten, sei es wichtig, das Arbeitsrecht zu flexibilisieren, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Lediglich die Verlängerung der Lebensarbeitszeiten, so Junghanns, sei auf Widerstand gestoßen. Hier sei aber durch die schrittweise Verschiebung auf das Jahr 2.000 ein Kompromiß erzielt worden, mit dem man hätte leben können.

Der Abgeordnete Wolfgang Dehnel bestätigt die Einschätzung von Junghanns. Dabei hatte der Chemnitzer Anfang Juli eine Lawine losgetreten, indem er die Zustimmung der ostdeutschen Unions-Abgeordneten zum Sparpaket von einer Beibehaltung der ABM- Mittel für Ostdeutschland abhängig machen wollte. „Notfalls werden wir dagegenstimmen“, war er zitiert worden, und: „Die ostdeutschen Bundestagsabgeordneten sind ein Machtfaktor.“ Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hatte zuvor angekündigt, die ABM-Mittel bis zum Jahr 2.000 auf das niedrigere Niveau in Westdeutschland zurückführen zu wollen.

Gestern nun erklärte Dehnel, er sei falsch zitiert worden und habe lediglich von „Bauchschmerzen bei der Zustimmung“ gesprochen. Letztlich habe er für das Sparpaket gestimmt, weil es inzwischen eindeutige Signale gegeben habe, daß die geplanten ABM-Kürzungen „gut abgestimmt“ würden. Pauschale Kürzungen dürfe es nicht geben, sondern nur dort, wo die Arbeitslosigkeit sinke.

Doch die hoffnungsfroh vernommenen Signale scheinen trügerisch. Inzwischen mußte Arbeitsminister Blüm (CDU) – nach Angaben der BamS – versprechen, weitere 1,8 Milliarden Mark bei der Bundesanstalt für Arbeit einzusparen. Und Gesundheitsminister Seehofer (CSU) kündigte bereits ein Sparpaket Nummero zwei an. Ob die Ost-Abgeordneten erneut mitmachen, selbst wenn die ABM-Mittel stärker gekürzt werden als erhofft?

„Wir stimmen nicht gegen die Fraktion“, dämpft Dehnel jede Hoffnung auf Kampfesmut. „Wir können nicht nur unseren Willen durchsetzen.“ Und Clemens Schwalbe, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, sagt: „Eine Kampfabstimmung wird es nicht geben.“ Stimmt es also, was ein anderer ostdeutscher Bundestagsabgeordneter sagt: „Die Ostdeutschen haben es schwer, sich durchzusetzen. Sie sind noch nicht so sattelfest mit den Gepflogenheiten im Westen?“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Wolfgang Thierse, selbst Ostdeutscher, bescheinigt den ostdeutschen CDU- Mannen jedenfalls eine „glatte Niederlage“. „Stramm und brav“ hätten sie entgegen vorheriger „vollmundiger Ankündigungen“ das Sparpaket abgenickt. Es habe sich gezeigt, daß ihr Einfluß nicht besonders groß sei. „Sie werden ein bißchen betüttelt, aber letztlich müssen sie doch loyal und diszipliniert sein.“ Markus Franz