Hemp ist hip weil chic für VIP

Hanfprodukte sind in Brasilien etwas für zahlungskräftige Alternative. Import- und Anbauverbot der Pflanze verhindert einen Boom  ■ Aus Rio de Janeiro Astrid Prange

Ausgerechnet der Abgeordnete Fernando Gabeira versucht, Brasiliens Gesetze auf außerparlamentarischem Weg zu ändern. Der 53jährige Journalist, Mitglied der brasilianischen Grünen, wollte vor drei Monaten 25 Kilo Hanfsamen aus Ungarn in seine Heimat mitbringen. Der „Stoff“ wurde von der brasilianischen Grenzpolizei beschlagnahmt. Trotz des rigorosen Importverbots von Hanfsamen gedeihen Haschisch-Äcker in dem größten Land Lateinamerikas prächtig. Die ersten zaghaften Versuche, mit dem umstrittenen Rohstoff die Kleidungsbranche zu unterwandern, begannen im vergangenen Jahr.

„In Brasilien wird Marihuana bereits im großen Stil angebaut“, erklärt Abgeordneter Gabeira. Im Tal des Rio Sao Francisco im Nordosten des Landes verdienten Hunderte von Kleinbauern damit ihren Lebensunterhalt. Der Politiker vermutet, daß der Druck der Vereinigten Staaten indirekt für die strenge brasilianische Gesetzgebung verantwortlich ist. „Die Amerikaner machen mit ihrer Drogenbekämpfung in ganz Lateinamerika Politik“, beschwert sich der grüne Abgeordnete, beim brasilianischen Volk für seine Marihuana-Vorliebe sowie für seine gewagten Badehosen in Tangaform bekannt.

Nicht nur Gabeira, auch der deutsche Industriedesigner Eckhart Kellner machte bereits unangenehme Erfahrungen mit der brasilianischen Grenzpolizei. „Die ersten 75 Kilo wurden einkassiert“, erinnert sich der 40jährige Schwabe, der 1994 nach Brasilien einwanderte. Eigentlich wollte er in seiner Wahlheimat Salvador eine Art Hanfhaus aufmachen. „Doch der Import der Stoffe aus traditionellen Anbauländern wie China, Indonesien, Rußland und Indien ist so teuer, daß sich das Geschäft nicht lohnt“, hat Kellner inzwischen eingesehen. Ganz aufgegeben hat er allerdings noch nicht. Nun will er das Importverbot aus dem Jahr 1976 mit der Einfuhr von Hanfschnüren- und -garn umgehen.

Daß es für Hanfprodukte einen vielversprechenden Absatzmarkt in Brasilien gibt, steht außer Frage. Der Turnschuh aus Hanffasern der Sportfirma „adidas“, seit acht Monaten auf dem Markt, findet trotz des für Brasilien sündhaft teuren Verkaufspreises von umgerechnet 160 Mark reißenden Absatz. „Unsere Vorräte sind restlos ausverkauft. Wir müssen die Kaufhäuser vertrösten“, erklärt Marta Meneses, Marketing-Leiterin bei „adidas“ in Brasilien. Zahlen nennen will sie allerdings nicht. Ähnliche Erfahrungen machte der Jeansproduzent Joao Luiz Damascano. „Die Hanfjeans kostet doppelt soviel wie eine normale Jeans, doch die Leute kaufen sie“, meint der „Hemp Bahia“-Chef.

„Wenn es nach mir geht, ist der nächste Sommer ,hemp‘“, scherzt die Modeschöpferin Yamê Reis. „Hemp“, das englische Wort für Hanf, klänge nach „hip“, und dies wiederum reime sich auf „VIP“, alles verführerische Attribute für modebewußte und zahlungskräfte Brasilianer. „Hanfstoffe“, so die Modeschöpferin, „sind edel.“ Ihre Qualität liege zwischen Rohleinen und Baumwolle.

Bei dem deutschen Industriedesigner Eckhart Kellner ist die anfängliche Begeisterung über Hanf und seine vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten jedoch mittlerweile verflogen. Kellner hält sich mit der Repräsentation der kleinen schwäbischen Maschinenfirma „BMS “ (Bahmer Maschinenfabrik Söhnstetten) über Wasser, die Maschinen zur Reinigung von Bastfaserpflanzen herstellt. Die deutsche Technologie für Hanfaufschluß ist praktischerweise ebenfalls auf Leinen, Jute und Rami anwendbar. „Die Maschine löst die Faserbündel auf, reinigt, röstet und trocknet sie“, erklärte er jüngst erstaunten Managern während der deutsch-brasilianischen Technologieausstellung im vergangenen Jahr in São Paulo.

Beim brasilianischen Landwirtschaftsministerium ist Kellner bereits als regelmäßiger Antragsteller für die Sondererlaubnis zum Hanfsamen-Import bekannt. „Eigentlich müßten sich ja die Brasilianer selbst für die Aufhebung des Verbots stark machen“, meint er. Als nachahmenswertes Beispiel schlägt er die jüngste Aktualisierung des deutschen Betäubungsmittelgesetzes vom März dieses Jahres vor, wonach der Anbau von „Cannabis Sativa“ für industrielle Zwecke genehmigt ist.