Auf den Spuren von Lothar Späth

■ Ein schwäbischer Bürgermeister ließ sich seinen USA-Urlaub von der Industrie bezahlen

Eningen (taz) – Der Bürgermeister von Eningen unter der Achalm, Jürgen Steinhilber, hatte nachgedacht und dann irgend etwas durcheinander gebracht: „Lokal denken und global handeln“, sagte er sich Anfang August und flog aus der schwäbischen Provinz mit seiner Ehefrau Elfriede für vier Wochen in die USA und nach Kanada. Das Ticket hatten ihm die reichsten Männer im Dorf, die Unternehmer Albrecht Wandel und Frank Goltermann geschenkt. Ihr Bürgermeister soll auch nicht leben wie ein Hund. Vor einigen Tagen sollte der Gemeinderat von Eningen über ein Baugebiet entscheiden, das die Firma der Gemeinde zum Kauf angeboten hat. Die Sitzung wurde vertagt.

Jeder Zusammenhang zwischen der bezahlten Urlaubsreise und den Verkaufsverhandlungen mit dem Elektronikunternehmen wird von allen Seiten kategorisch abgestritten, seit das Reisegeschenk bekannt geworden ist. Steinhilber hatte es in Weinlaune einem Lokaljournalisten des Reutlinger Generalanzeigers erzählt und der war auch noch so nüchtern, es aufzuschreiben. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft in Tübingen, ob das Bestechung ist.

Die Gemeinderäte des Dorfes am Abgrund der Schwäbischen Alb sind sehr traurig. Sie haben sich vor wenigen Tagen im Rathaus eingeschlossen und erklärten anschließend mit einer Stimme: „Wir betrachten die Vorwürfe gegen den Bürgermeister mit großer Sorge.“ Die Sorge kommt daher, weil sich in Baden-Württemberg noch alle daran erinnern, wie der letzte Ministerpräsident Lothar Späth fröhlich auf Spesen der Industrie durch die Welt reiste und dann weniger fröhlich zurücktreten mußte.

Pikanterweise lagen die Reiseschecks schon vier Jahre lang in der Schublade des Bürgermeisters – man hatte sie ihm zum 50. Geburtstag überreicht, als Späth gerade zurückgetreten war. Weil er das Essen aber selbst bezahlen mußte, sparte der Bürgermeister nun bis zu diesem Sommer. Schuldbewußt ist der Rathauschef jedoch nicht. „Würde es wieder machen“, sagte er. Jetzt schweigt er und verweist auf seinen Rechtsanwalt.

Geschenke dieser Größenordnung an Beamte müssen von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Am strengsten ist man damit in Hessen. Dort sind schon Zuwendungen ab 150 Mark nur mit dem Segen des Innenministeriums zulässig. Philipp Maußhardt