Daimler macht ernst

■ Konzern mißachtet die Tarifverträge und zahlt weniger Lohn für Kranke

Stuttgart (AP/taz) – Daimler- Benz wird die gesetzliche Regelung zur Lohnfortzahlung übernehmen und den über 220.000 Beschäftigten seiner Unternehmen im Inland ab 1. Oktober im Krankheitsfall nur noch 80 Prozent bezahlen. Diesen Vorstandsbeschluß gab Deutschlands größter Industriekonzern gestern in Stuttgart bekannt.

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Daimler-Automobiltochter Mercedes-Benz, Karl Feuerstein, kritisierte diesen Beschluß als glatten Tarifvertragsbruch. Er kündigte im Süddeutschen Rundfunk Reaktionen der Arbeitnehmer in den Werken an und sagte, zunächst sollten Überstunden verweigert werden. Die Wut der Beschäftigten werde so groß sein, daß möglicherweise auch die vereinbarten Samstagssonderschichten in den Personenwagenwerken nicht so ablaufen würden.

Daimler erklärte, das Unternehmen folge mit seinem Beschluß der Linie des Metallarbeitgeberverbandes, die vom Gesetzgeber ermöglichte Senkung der Lohnzusatzkosten zu realisieren. Die Tarifverträge in der Metallindustrie stünden diesem Vorgehen nicht entgegen. Sie seien auf der gesetzlichen Regelung aufgebaut, die nun geändert werde und die deshalb auch die tarifliche Grundlage verändere.

Wie berichtet, räumt Gesamtmetall der Festschreibung der 100prozentigen Lohnfortzahlung in den Tarifverträgen nur „deklaratorische Natur“ ein. Diese tariflichen Regelungen würden nur das Gesetz wiedergeben und änderten sich daher automatisch mit diesem.

Kanzler Helmut Kohl hat gestern die Tarifparteien dazu aufgerufen, in Sachen Lohnfortzahlung „ihre Hausaufgaben selbst zu machen“. Einen Tag zuvor hatte Kohl allerdings gefordert, geltende Tarifverträge müßten auch eingehalten werden.

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