„Spitzenverdiener werden einseitig entlastet“

■ SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier über die CDU-Vorschläge zur Steuerreform

taz: Die CDU möchte den Spitzensteuersatz auf 35 Prozent und den Eingangssteuersatz auf unter 20 senken. Die Mindereinnahmen sollen im wesentlichen durch die Abschaffungen von Steuervergünstigungen finanziert werden. Ist diese Reform ein großer Wurf?

Ingrid Matthäus-Maier: Der Ansatz, Steuern zu vereinfachen und Steuerschlupflöcher zu schließen, um dafür die Steuersätze zu senken, ist richtig. Damit rennt die CDU bei der SPD offene Türen ein. Wir haben ein entsprechendes Konzept schon am 2. September beschlossen. Ich habe aber den Verdacht, daß die Spitzenverdiener einseitig entlastet werden sollen. Ein Indiz dafür ist, daß die CDU den Spitzensteuersatz genau beziffert, nicht aber den Eingangssteuersatz. Auch bei der Abschaffung von Steuervorteilen, die nur die Arbeitnehmer treffen, wie Senkung der Kilometerpauschale auf 20 Pfennig und Abschaffung der Steuerfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, ist die CDU konkreter als bei Streichungen zu Lasten von Spitzenverdienern.

Ist die geplante Steuerreform ähnlich ungerecht wie das sogenannte Sparpaket?

Angesichts der gigantischen Bruttoentlastungssumme von 80 Milliarden Mark, die die CDU ins Schaufenster hängt, weiß jedes Kind, daß so etwas nicht ohne Mehrwertsteuererhöhung zu machen ist. Kohl hat im Sommer ja eine Mehrwertsteueranhebung als unausweichlich angekündigt. Es wäre aber fatal, wenn Arbeitnehmer, Familien mit Kindern und Rentner die Senkung des Spitzensteuersatzes mit einer kräftigen Mehrwertsteuererhöhung bezahlen müßten. Die SPD macht das nicht mit.

Was werden die Sozialdemokraten außerdem ablehnen?

Durch das Malen großer Gemälde für die Zukunft – die Steuerreform 1999 – will die Regierung davon ablenken, daß sie die bereits beschlossenen Steuersenkungen zum 1. Januar 1997 verschieben will. Das ist im Ergebnis nichts anderes als eine Steuererhöhung. Wir beharren deshalb weiter darauf, daß die Erhöhung des Kindergeldes um 20 Mark für das erste und zweite Kind und die Verbesserung beim Grundfreibetrag um 300 bzw. 600 Mark (Ledige bzw. Verheiratete) bei bisher 12.000 Mark erhalten bleibt.

Treffen Sie Pläne der CDU unvorbereitet?

Im Gegenteil. Unser Papier vom 2. September liegt ebenso auf dem Tisch wie das Gutachten der Bareis-Kommission. Wir schlagen vor, daß wir uns sofort zu Verhandlungen über eine Steuerreform für 1998 zusammensetzen.

Die CDU beabsichtigt eine Nettoentlastung der Steuerzahler bis zu 30 Milliarden Mark. Können Sie da mitgehen?

Eine Nettoentlastung wird bei uns die weit überwiegende Mehrheit der Normalverdienenden erhalten, die heute nicht die Gestaltungsmöglichkeiten des Steuerrechts ausnutzen können.

Wie sieht der Gegenentwurf der SPD zur Steuerreform aus?

Uns kommt es vor allem darauf an, den Eingangssteuersatz zu senken, der bei 19,5 Prozent liegen sollte. Bei der Senkung des Spitzensteuersatzes wollen wir erst einmal sehen, wie weit wir mit der Beseitigung von Steuervergünstigungen vorankommen. Der Grundfreibetrag muß kräftig erhöht werden. Eine Mehrwertsteuererhöhung kommt nicht in Frage. Die Reform soll 1998 in Kraft treten. interview: Markus Franz