Miete inklusive Mobilität

Ein Vermieter erprobt ein Wohn-Mobilitätskonzept: Bus und U-Bahnnutzung kostenlos und eine Car-Sharing-Station vor der Haustür  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Zum Tresor führt eine knallrote Autotür mit Fenster und Rückspiegel, eingelassen in massiven Beton. Gut sichtbar baumeln hinter dem Autofenster fünf Schlüssel. Für die MieterInnen der 60 Wohnungen im „Stadthaus Schlump“, einem frisch umgebauten ehemaligen Stadtkrankenhaus von 1877 in Hamburgs Universitätsviertel, bedeutet dieser Tresor seit Anfang Juni Zugang zur Automobilität. Der Car-Sharing-Pool direkt vor der Haustür soll den Privatbesitz von Pkw überflüssig machen – ein in Deutschland bisher einmaliges Projekt.

Fünf Volkswagen verschiedener Größe stehen den 100 BewohnerInnen zur Verfügung. Die Stundenmiete von 5 Mark (Polo) bis 9 Mark (Transporter) schließt alle Kosten mit ein. Mit einer persönlichen Chipkarte lassen sich die Autos sowohl spontan mieten als auch reservieren.

VW hat die Fahrzeuganschaffung gesponsert. Der Konzern will das Projekt wissenschaftlich auswerten und erhofft sich davon Hinweise auf zukünftige Formen der Mobilität. Zwar glaubt VW-Sprecher Günther Scherelis nicht an den massenhaften Verzicht auf den Privatbesitz von Automobilen: „Car-Sharing wird keine Massenbewegung.“ Doch Axel Riemann, VW-Abteilungsleiter Verkehr, mahnt: „Wir müssen uns stärker Gedanken machen, wie unsere Fahrzeuge genutzt werden.“

Der Charme des Hamburger Modells ist der besondere Komfort, der es von bislang üblichen Car-Sharing-Modellen abhebt. Mit dem Mietvertrag erhalten die BewohnerInnen eine persönliche Chipkarte mit Geheimnummer. Vor den Rückspiegel der Tresortür gehalten, öffnet sich das Schiebefenster. Ein Bildschirm mit Lesegerät, vergleichbar einem Bankautomaten, organisiert die Identfikation, gibt den gewünschten Autoschlüssel frei und deaktiviert per Funk die Wegfahrsperre. Die Abrechnung erfolgt allein auf Stundenbasis – das Tanken an einer Vertragstankstelle ist kostenlos.

Vermieter Jürgen Gessner, der 20 Millionen Mark in das Stadthaus Schlump investiert hat, will sich jedoch mit dem auf seine Initiative von Volkswagen und Softwarespezis der Universität Siegen entwickelten Automietmodell nicht zufrieden geben. Er bietet seinen Mietern zudem Leifahrräder und – wenn endlich Hamburgs Verkehrsbehörde ihren Segen gibt – ein in der Miete enthaltenes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr. Sein Ziel sei stadtverträgliche Mobilität, argumentiert Gessner.

Die Bilanz der ersten Monate ist jedoch weniger positiv als erhofft. Nur ein Fünftel der BewohnerInnen nutzt das hauseigene Car-Sharing. Aber immerhin drei Mietparteien haben ihr Auto abgeschafft. „Innerlich drückt mich das nicht“, sagt Jürgen Gessner. Ein Großteil der Mieter habe ein eigenes Auto – der Einstellungswandel brauche wohl eine längere Zeit.

Der softmobile Überzeugungstäter Gessner sieht sich mit seinem Angebot beileibe nicht als Öko- Mäzen. „Natürlich machen wir uns Gedanken, wie wir unser Geld zurückbekommen“, versichert der Investor. Er glaubt, mit ökologischem Touch, darunter auch zwei kleine Blockheizkraftwerke, eine Regenwasseranlage und ein Solardach sowie genau auf Mieterbedürfnisse zugeschnittenem Komfort, mittel- und langfristig hohe Wertsteigerungen seiner Immobilie und einträgliches Vermieten erreichen zu können. Das Idyll hat seinen Preis: Mit 19,30 nettokalten Mark pro Quadratmeter sind die Wohnungen nur etwas für Betuchte. Und beim Verhältnis von ökologischer Theorie und ökologischem Tun hakt es nicht nur bei der Mobilität: Zwar verpflichten sich die MieterInnen bei Vertragsabschluß zum regelmäßigen Gang zum Altpapiercontainer. In den Restmülltonnen aber „liegt dann die FAZ friedlich neben der BILD-Zeitung“, ärgert sich Gessner.