Keine Agenten der Sozialbehörde

■ Beschäftigungsträger wollen nicht prüfen, ob Sozi-Empfänger Bock auf Arbeit haben

Stütze oder nicht Stütze? Diese Frage erregt momentan in der Bremer Soziallandschaft die Gemüter. Vergangenen Donnerstag segnete die Sozialdeputation neue Verwaltungsanweisungen zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab. Tenor: Sozialhilfeempfänger sollen verstärkt zu Beschäftigungsmaßnahmen nach Paragraph 19 BSHG herangezogen werden. Wer sich weigert, bekommt weniger Sozialhilfe.

Freie Träger aus dem Programm „Hilfe zur Arbeit“ befürchten nun, daß sie zu Erfüllungsgehilfen der Sozialbehörden degradiert werden und sich dies „fatal“ auf ihre Arbeit auswirkt, so Renate Finnie von der Werkstatt Bremen.

Ihre Arbeit ist die Wiedereingliederung arbeitsloser SozialhilfeempfängerInnen in das Arbeitsleben. „Das kann aber nur auf Freiwilligkeit beruhen“, sagt Finnie. Das Prinzip sieht sie jetzt untergraben. Denn die neuen Verwaltungsanweisungen zu den BSHG-Paragraphen 19, 20 und 25 sehen eine verschärfte Überprüfung von SozialhilfeempfängerInnen auf ihre „Arbeitswilligkeit“ vor. Damit sollen Menschen, die ihnen zugewiesene Arbeitsmaßnahmen unbegründet abgebrochen haben, zu Zwangsbeschäftigung herangezogen werden.

Ein halbes Jahr dauert eine solche Maßnahme. Und: „Wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nach den §§ 19 bis 20a nachzukommen, hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Hilfe ist in einer ersten Stufe um mindestens 25 Prozent des Regelsatzes zu kürzen.“ So sieht es der neue Paragraph 25 BSHG vor. Wer sich weiter weigert zu arbeiten, dem wird die Stütze komplett gestrichen.

Nun befürchten viele Freie Träger, daß sie die Entscheidung über die Arbeitswilligkeit fällen müssen. „Das ist aber eine kommunale Aufgabe. Es wäre äußerst problematisch, uns das zu übertragen. Schließlich hängt an dieser Aussage die Entscheidung, ob die Sozialhilfe gekürzt wird“, beschwert sich Regine Geraedts, stellvertretende Geschäftsführerin des Frauenbeschäftigungsträgers „Quirl“.

Zudem sehen die Freien Träger den Erfolg ihrer Arbeit gefährdet. Renate Finnie von der Werkstatt Bremen, in diesem Fall sozusagen die Dachorganisation, sieht die Freiwilligkeit untergraben: „Wir haben zur Zeit lediglich eine Abbrecherquote von acht bis zehn Prozent. Das würde ernsten Schaden nehmen, wenn diese Zwangsverpflichtung auf das Programm Hilfe zur Arbeit ausgedehnt würde. Wir sind keine Agenten, um herauszufinden, wer arbeitswillig ist und wer nicht.“ Das bestätigt Regine Geraedts: „Es gäbe massive Probleme für die freiwillig Beschäftigten und für unsere Anleiterinnen. Das Vorhaben wäre im Arbeitsalltag kaum durchführbar.“

All diese Befürchtungen teilt Olaf Joachim, persönlicher Referent von Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), nicht. „Zur Zeit arbeiten wir aus, wie die neuen Beschlüsse umgesetzt werden können“. Dabei werde es auch intensive Gespräche mit der Werkstatt Bremen geben. „Uns geht es darum, den Menschen, die zuvor Arbeitsverhältnisse abgebrochen haben, einen neuen Einstieg ins Arbeitsleben zu verschaffen.“ Ziel sei es, den Zwangsverpflichteten innerhalb des halben Jahres feste Arbeitsverträge zu besorgen. Ein Vorhaben, das bei Renate Finnie auf fruchtbaren Boden fällt. „Wir müssen aus der Not eine Tugend machen. Wir müssen uns aber noch sehr intensiv mit den Sozialbehörden auseinandersetzen.“ Jeti