Dänische Regierung in Not

Wegen der zeitweiligen Weigerung, Salman Rushdie einreisen zu lassen, will Dänemarks Opposition die Regierung kippen  ■ Aus Kopenhagen Reinhard Wolff

Zwar hat die dänische Regierung die Weigerung, den Schriftsteller Salman Rushdie einreisen zu lassen, schon nach einem Tag wieder zurückgenommen, doch innenpolitisch könnte der Fall ein Nachspiel haben – bis hin zum Sturz der dänischen Regierung. Oppositionsführer Uffe Ellemann-Jensen von den Rechtsliberalen und der Konservative Hans Engell bestätigten am Wochenende, daß sie nach der Affäre einen Mißtrauensantrag gegen die sozialdemokratische Minderheitsregierung des Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen stellen wollen. „Es ist eine zu große Belastung für Dänemark. Die Regierung hat jede Glaubwürdigkeit verloren“, sagte Engell. Im Fall einer Mißtrauensabstimmung würde das Schicksal der Regierung Rasmussen vom Verhalten der beiden Linksparteien „Einheitsliste“ und „Sozialistische Volkspartei“ (SF) abhängen. SF-Vorsitzender Holger Nielsen ließ mittlerweile durchblicken, daß seine Partei das Mißtrauensvotum stützen könnte.

Nachdem die Polizeiführung am Freitag zunächst bestritten hatte, hinter der Entscheidung des Justizministeriums zu stehen, schien sie nach der Rushdie-Wende der Regierung plötzlich bereit, den Sündenbock für den politischen Mißgriff zu spielen. Man habe tatsächlich Sicherheitsbedenken geäußert, hieß es. Ein durchsichtiger Versuch, den Kopf des Justizministers und der Regierung zu retten. Justizminister Björn West hatte die Entscheidung zur Ausladung Rushdies, der am 14. November in Kopenhagen den EU-Literaturpreis entgegennehmen sollte, damit begründet, die dänische Polizei sei wegen der Auseinandersetzungen der verfeindeten Rockerbanden „Hell's Angels“ und „Bandidos“ derzeit nicht in der Lage, Rushdie wirksam zu schützen. „Es war nicht nur Unsinn, es war eine Lüge. Und es war eine ganz offensichtliche Lüge“, kommentierte die Boulevardzeitung Ekstrabladet zu dieser Regierungsentscheidung.

Um einigermaßen das Gesicht zu wahren, ließ die Regierung inzwischen die Preisverleihung absagen. Sie soll zu einem „späteren Zeitpunkt, jedenfalls vor Weihnachten“ stattfinden. Der dänische Schriftsteller Thorkild Björnvig, der den Übersetzer-Preis erhalten soll, teilte gestern in der Berlingske Tidende mit, er werde nur an einer öffentlichen Preisverleihung zusammen mit Rushdie teilnehmen. Und auch die Jury ließ wissen, sie werde keine „Discountveranstaltung“ akzeptieren. Könne die dänische Regierung keine öffentliche Preisverleihung im würdigen Rahmen garantieren, werde man die EU-Kommission bitten, die Verleihung in ein anderes Land zu verlegen.