„Der Vaterschaftsnachweis ist ein Kulturschock“

■ Interview mit der chilenischen Frauenministerin Maria Josefina Bilbao

Maria Josefina Bilbao kann niemand etwas vormachen. Die chilenische Frauenministerin versucht die 19 Ministerien der chilenischen Regierung auf frauenfreundlichen Kurs zu trimmen. Ein schwieriges Unterfangen, für das ihr rund eine Milliarde Dollar zur Verfügung stehen. Die taz sprach mit der Pädagogin und sechsfachen Mutter, Mitglied der christdemokratischen Partei, in ihrem Büro in Santiago über die „kuriose Mischung aus Modernität und Machismus“ in ihrer Heimat.

taz: Die chilenische Frauenbewegung war entscheidend am Widerstand gegen die Diktatur von Pinochet beteiligt. Wofür kämpfen die Frauen in der demokratischen Übergangsphase?

Maria Josefina Bilbao: Jetzt geht es um unsere eigenen Rechte. Seit 1991 gibt es in Chile das Gleichstellungsorgan „SERNAM“ (Servicio Nacional de la Mujer), das den Rang eines Ministeriums hat. Unsere Aufgabe ist es, daß die Konvention von Nairobi (UNO-Frauenkonferenz im Jahr 1985) in die Praxis umgesetzt wird. Dies bedeutet die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, die der Diskriminierung von Frauen in Chile Einhalt gebieten.

Was für Gesetze?

Eine wichtige Neuerung ist die Bestrafung von Gewalt in der Ehe und Familie. Das von der SERNAM ausgearbeitete Gesetz wurde im August 1994 vom chilenischen Kongreß verabschiedet. Entscheidend war auch die Veränderung des Eherechts im Jahr 1993. Frauen sind ihren Ehepartnern jetzt erstmals gleichgestellt und werden nicht mehr wie Kinder behandelt. Denn erstmals wird vom Zeitpunkt der Heirat an ein gemeinsames Familienvermögen geschaffen, über das keiner der Ehepartner ohne die Zustimmung des anderen verfügen kann. Jedem Ehepartner gehört die Hälfte. Außerdem ist es verboten, den Familienwohnsitz zu verkaufen.

Chile ist das einzige Land der Welt, wo Ehen unauflösbar sind. Wieso setzen Sie sich als Frauenministerin nicht für das Recht auf Scheidung ein?

Die christdemokratische Partei, der ich angehöre, bringt selbst keinen Gesetzentwurf zu diesem Thema ein. Das Frauenministerium soll lediglich die Diskussion anregen. Jetzt gibt es zwei verschiedene Gesetzentwürfe im Parlament. Doch nur einer sieht eine echte, rechtskräftige Scheidung vor, der andere weitet lediglich den Familienbegriff aus und zählt dazu dann auch alleinerziehende Mütter mit Kindern, die de facto vom Vater getrennt leben. Mir ist es wichtiger, zunächst einmal die Benachteiligung unehelicher Kinder aufzuheben. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben aus dem Frauenministerium ist bereits vom Parlament gebilligt worden. Es sieht erstmals den Vaterschaftsnachweis mit allen Mitteln vor. Doch die Verabschiedung im Senat ist wesentlich schwieriger. Für Männer ist der Gesetzentwurf ein Kulturschock!

Die Frauen sind in der Politik als auch in Führungspositionen der öffentlichen Verwaltung oder Wirtschaft nur minimal vertreten. Wird das Quotensystem als Gleichstellungsinstrument in Betracht gezogen?

Immerhin verfügt die chilenische Regierung erstmals über drei (von 19) Ministerinnen. Im Parlament besetzen die weiblichen Abgeordneten zehn Prozent der Sitze. Doch das ist natürlich vollkommen ungenügend. Es gibt kein Gesetz zur Quotenregelung, doch viele Parteien haben sich freiwillig darauf verständigt, bei den Gemeindewahlen im Dezember 20 Prozent der Listenplätze den Frauen zu überlassen. Doch Politik ist alles andere als frauen- und familienfreundlich. Schon weil die meisten wichtigen Sitzungen alle nachts oder am Wochenende stattfinden. Interview: Astrid Prange