Rätselraten um einen Karlsruher Brandanschlag

■ Unter bislang ungeklärten Umständen starben Mitte Oktober bei einem Hausbrand in Karlsruhe drei türkische Bewohner. Mehrere Täter kommen in Betracht

Karlsruhe (taz) – Die Aufregung in den türkischen Medien war groß. Die Boulevardzeitung Hürriyet forderte die „Auslieferung der Verbrecher“, sprach den Deutschen jedes Recht ab, die Menschenrechtspolitik in ihrer Heimat zu kritisieren, solange die Bundesregierung die Türken in Deutschland nicht zu schützen wisse. Das Massenblatt Sabah sprach gar von einer „Selbstzensur der deutschen Presse“.

Was war geschehen? In der Nacht zum 15. Oktober starben drei türkische Bewohner eines Hauses in der Karlsruher Innenstadt. Eine Meldung, die in der überregionalen deutschen Presse kaum Erwähnung fand. Dabei stieß die 30köpfige Sonderkommission der Kriminalpolizei Karlsruhe schon bald auf Hinweise für einen hinterhältigen Brandanschlag: Durch einen Brandbeschleuniger war in der Nacht des 15. Oktober auf der schlecht einsehbaren Treppe des Hinterhauses Markgrafenstraße 41 ein Feuer gelegt worden. Das Drama nahm seinen Lauf: Ein türkisches Ehepaar verbrannte in der Wohnung, eine Frau konnte sich auf das Dach retten, während ihr Mann den Sprung aus dem Fenster nicht überlebte.

Wer waren die Täter, fragen sich nicht nur die türkischen Bewohner Karlsruhes? Während die örtliche Antifa-Gruppe flugs einen rassistischen Anschlag vermutete, hält sich die Polizei mit Einschätzungen zurück. Es gebe „Hinweise auf eine Person, die offenbar gerne zündelt“, sagt Polizeisprecher Werner Rastätter. Vermutet wird ein Zusammenhang mit einem als „Pyromanen“ bezeichneten Unbekannten, der Anfang September in derselben Gegend an einem Fahrrad zündelte und einen Lappen in ein offenes Fenster einer leerstehenden Wohnung warf. Diese Wohnung war Teil eines Heimes für psychisch Kranke.

Eine „Infogruppe Markgrafenstraße“ aus der Antifa-Szene geht hingegen in einem Flugblatt „von einem rassistischen Anschlag aus, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist“. Die betroffene Häuserecke sei wegen des Gemüseladens und einem früheren Falafel-Stand als türkischer Wohnkomplex klar erkennbar gewesen. Und obwohl es keine feste rechte Szene in Karlsruhe gebe, sei doch vor drei Jahren das Asylbewerberheim Ziel eines Anschlags gewesen.

Im Bistro „Kozan“, in dem sich die Türken der Karlsruher Südstadt treffen, hört man dagegen anderes: Fast jeder hält den Eigentümer für den Täter. Das Haus gehört der an der Markgrafenstraße angrenzenden Süddeutschen Genossenschafts-Zentralbank (SGZ). Sie versucht seit einem Jahr, die Mieter der Häuserecke herauszukündigen, und ist mit einem Bauvorhaben bei den Behörden wegen Denkmalschutzes gescheitert.

Nun wird die Nummer 41 abgerissen. Heinz Beers, SGZ-Sprecher, findet die Verdächtigungen „abstrus und völlig haltlos“. Durch den Brand habe man keine Vorteile, sondern müsse nachteilige Kosten in Kauf nehmen. Die Polizei hat einen „warmen Abriß“ ebenfalls geprüft. Es gebe, so deren Sprecher Rastätter, aber „keine Anhaltspunkte, daß der Straftäter der Eigentümer ist und dadurch jetzt als Begünstigter des Brandes dasteht“.

Anders als in Solingen, wo die Täter auch länger unbekannt waren, haben sich deutsche Medien bisher wenig für den Anschlag interessiert. Einzig der örtliche freie Radiosender „Querfunk“ berichtet regelmäßig, auch über die Vorwürfe gegen die SGZ-Bank oder den möglichen rassistischen Hintergrund. „Aber für den Rest der Stadt war nach dem Stichwort ,Pyromane‘ alles klar“, erklärt „Querfunk“-Redakteur Stefan Rein.

Der Brandanschlag wurde unterdessen nicht nur von türkischen Medien, sondern auch von Nationalisten vor Ort instrumentalisiert. Zu einer von ihnen organisierten Trauerfeier erschienen in Karlsruhe 600 Menschen. Achim Berge