Das Klassik-Ufo sanft gelandet

■ Die Kongreß-Messe klassik komm. reicht von Mozart bis zu aktueller Avantgarde

Bekommt der gemeine Konsument die Resultate der Klassik-Messe klassik komm., die dieses Wochenende in Hamburg stattfindet – wenn er nicht den Publikumstag am Sonntag nutzt – erst in späteren Zeiten in Form von noch mehr Musikvermarktung zu spüren, so bietet das Konzert-Rahmenprogramm schon jetzt einen Querschnitt durch die musikalische Untertasse Klassik. Über dem Popvolk schwebend vereint dies UFO so fernes wie Streicher auf Dance-Beats mit Operngesang und das große Orchester mit dem einemillionsten Mozart.

Eröffnet wird der zweitägige Konzertmarathon für jeden Geschmack am Freitag in der Musikhalle (20 Uhr) mit Starbesetzung: Der elegante Brusttuch-Bohemien und Chopin-Spezialist Cyprien Katarsis am Klavier und der charismatische Arnold Östman als Herr über die NDR-Sinfoniker geben mit tatkräftiger Verstärkung Haydns Harmonie-Messe, Mozarts Violinkonzert G-Dur und Liszts 2. Klavierkonzert (siehe Verlosung).

Parallel dazu dominiert die Avantgarde den Freitag. Im NDR-Studio 10 breitet Diego Masson mit der Musikfabrik NRW zeitgenössische Komponisten von Andrew Toovey bis Iannis Xenakis aus (23 Uhr!). Und mit Krach und Spaß alte Schlipse abschneiden will Katarakt, eine Vereinigung, die sich selbst als „Club der lebenden Komponisten“ untertitelt. Ihr Versuch, die Fraktierung der Neuen Musik in Mikrozellen aufzuhalten, bezieht nicht nur frischen Wind aus Musikbereichen wie Dancefloor, Ethno und Avantgarde, sondern versucht auch, neue Präsentationsformen zu finden, die Publikum neugierig machen können, dem Neue Musik als die gequirlte Intellellen-Kacke schlechthin erscheint. Ein Show-Event, wie es sonst nur aus dem Popbereich bekannt ist, soll dafür die kleine Markthalle zu freiem Eintritt in einen Hort der Befruchtungen verwandeln (ab 22 Uhr).

Am Sonnabend folgen parallel neun Konzerte, von denen hier nur die außergewöhnlichen vorgestellt werden können. In dem Mammut-Programm im Innenhof der Hanse-Merkur (7 Ensembles mit 7 Stücken) findet sich mit der Gitarristin Tatjana Kukoc (Foto) eine brillante Steve Reich-Interpretin, die dort dessen Electric Counterpoint vorstellt (19.30 Uhr). In der Fabrik findet ab 20.30 Uhr der Haupt-Crossover-Gig des Tages statt. Die Band Give Beauty verbindet Violoncello mit Countertenor zur Erschaffung des Minnegesangs als zeitgenössische Musik. Und Steve Martlands Bläser- und Streicher-Ensemble erschafft kammermusikalische Grundstimmungen mit populären Gewürzen von Punk über Jazz bis Folk (siehe Verlosung). Auf Kampnagel präsentieren schließlich die Hamburger Symphoniker Science-Fiction-Filmmusik von Star Trek bis Ghostbusters (20 Uhr). tlb