Serbiens sozialistische Bürgermeister zittern

■ Beim zweiten Durchgang der Kommunalwahlen legt die Opposition kräftig zu

Berlin (taz) – Vor vierzehn Tagen hatte es noch so ausgesehen, als blieben in Jugoslawien die zu Sozialisten gewandelten Exkommunisten fest im Sattel. Ganz im Gegensatz zu den Trends in anderen osteuropäischen Ländern hatte die Sozialistische Partei Serbiens mit der Liste der Jugoslawischen Linken bei den Parlamentswahlen eine klare absolute Mehrheit gewonnen. Und auch wenn im gleichzeitig stattfinden ersten Urnengang der Kommunalwahl nur 2.067 von 7.670 Gemeinde- und Stadträten entschieden wurden, hatte die Sozialistische Partei mit 59 Prozent der Stimmen beruhigt in die zweite Runde der Kommunalwahl gehen können. Nur in 10 von 189 Gemeinden hatte die Opposition im ersten Durchgang überhaupt eine Mehrheit erzielt.

Um so überraschender sind die sich jetzt abzeichnenden Ergebnisse. Noch hat die Sozialistische Partei ihre Niederlage nicht offiziell eingestanden. Doch die Verschiebung der angekündigten Siegeserklärung am Sonntag abend war ein untrügliches Indiz für die tiefe Verunsicherung, die Serbiens Sozialisten nach Auszählen der ersten Wahlkreise in den großen Städten Belgrad, Niš und Krajuguevac gepackt haben muß. Dem stand eine demonstrative Siegeszuversicht beim oppositionellen Wahlbündnis Zajedno/Gemeinsan gegenüber. Schon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale hatte deren Chef, Vuk Drasković, das Oppositionsbündnis in Belgrad zum Wahlsieger erklärt. „Dies ist ein großer Tag für die Demokratie in Serbien“, sagte er zu seinen Anhängern. Sollte sich der Trend bestätigen, wäre vor allem die Vielzahl der von der Opposition errungenen Bürgermeisterämter eine Überraschung.

In einem zentralistischen Land wie Jugoslawien ist der Sieg in der Hauptstadt von großer symbolischer Bedeutung. Vor zwei Wochen waren hier nur 4 von 120 Sitzen im Magistrat entschieden worden. Drei gingen an die Sozialistische Partei, einer an den Führer der extremistischen Radikalen Partei Serbiens, Seselj. In 84 von 116 Belgrader Wahlkreisen kamen die Kandidaten von Zajedno in die Stichwahl, die sie jetzt offensichtlich für sich entscheiden konnten. Und dies, obwohl der Bürgermeisterkandidat von Zajedno, Zoran Djindjić, zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Wahlvorgang bemängelte. Auch die Sozialisten haben inzwischen wohl vorsorglich von Fälschungen gesprochen.

Auch wenn die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegen dürfte, ist der Erfolg des Oppositionsbündnis Zajedno ein schwerer Schlag für Präsident Slobodan Milošević. Wird ihm damit doch deutlich signalisiert, daß die Bevölkerung der Cliquen- und Parteienwirtschaft der einstigen kommunistischen Kader überdrüssig ist. Die marode Wirtschaftslage, sinkende Realeinkommen für die meisten Serben und die zögerliche Privatisierungspolitik dürften Grundpfeiler der Erfolge der Opposition sein. Ob sich in Serbien jetzt eine funktionierende Demokratie etablieren wird, ist damit noch nicht ausgemacht. Nicht wenige Beobachter erwarten von der Sozialistischen Partei, daß sie alle Register ziehen wird, um derartige „Betriebsunfälle“ künftig zu vermeiden oder – soweit möglich – noch zu korrigieren. Georg Baltissen