Droht im Norden die Verdummung?

■ Schleswig-Holsteinische Hochschul-Chefs befürchten ein Desaster durch die Sparpläne der rot-grünen Landesregierung

Schleswig-Holsteins Hochschulen haben die rot-grüne Landesregierung aufgefordert, ihre Sparpläne zu „entschärfen“. Sonst drohten Lehre und Forschung kaputtgespart zu werden, erklärten die Spitzen der neun staatlichen Hochschulen des Landes gestern in Kiel. Sie forderten Planungssicherheit und mehr Zeit für Umstrukturierungen. „Die Umsetzung der Kürzungen würde eine Wissenschaftslandschaft zerstören, deren Aufbau Jahrzehnte gekostet hat“, sagte der Kieler Universitätsrektor, Ruprecht Haensel. Das Kultusministerium hatte am Vortag Vorwürfe des Kaputtsparens zurückgewiesen und eine Hochschul-Strukturreform angekündigt.

Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Ernst Gottfried Schmidt (FH Flensburg), rechnete vor, daß die im Etatentwurf 1997 geplanten Kürzungen weit über die bisher genannten zwölf Millionen Mark (drei Prozent der Gesamtausgaben) hinausgehen. Die FH und die Muthesius-Hochschule in Kiel schätzen die Kürzungspläne sogar auf zehn Prozent. Ein Desaster sei zu befürchten, die Hochschulen würden entscheidend in der Substanz getroffen und langfristig in ihrer Existenz bedroht.

Schleswig-Holstein gebe deutlich weniger Geld je Einwohner für Hochschulen aus als die alten Länder im Durchschnitt, hieß es. Die Kürzungspläne widersprechen für den Kieler Uni-Rektor Haensel den Beteuerungen der Regierung, Lehre und Forschung hätten Priorität.

Die Kieler Uni soll 1997 etwa 10,8 Millionen Mark weniger für Personal bekommen und 2,5 Millionen weniger für Sachmittel. Die Folge laut Rektor Haensel, der höchstens ein Sparpotential von sechs Millionen Mark sieht: Die Uni könnte 1997 keine Stellen für wissenschaftlichen Nachwuchs besetzen, viele Professuren fielen ebenso weg wie Forschungsgelder und Praktika. Die FH Lübeck befürchtet, daß in den nächsten Jahren von etwa 130 Professorenplanstellen bis zu 25 „weggespart“ werden müssen; die dortige Musikhochschule befürchtet, fast ein Viertel der Lehrkapazität zu verlieren.

Die FH Kiel muß sich nach eigenen Berechnungen auf ein Minus von weit über drei Millionen Mark einstellen. Ab August müßten Lehr- veranstaltungen ausfallen, weil zwölf Professuren nicht besetzt werden könnten und zugleich nur noch 60 Prozent der heutigen Mittel für Lehraufträge verfügbar sind. Auch die Medizinische Universität Lübeck sieht sich nicht in der Lage, die Sparauflagen zu erfüllen. Die junge Fachochschule in Heide geht davon aus, daß sie ihren Aufbau um zwei, drei Jahre strecken muß, wie Rektor Hans-Jürgen Block sagte, eine vernünftige Ausbildung sei aber gewährleistet. lno/taz