Obwohl er so tut

■ Beck im Berliner Huxley's: Uncoole Angelegenheit. Keine Verkörperung seiner Idee, mehr eine Art Hampelmann auf Durchreise. Viel Gehabe um wenig

Wie die Bands und ihr Publikum zueinanderfanden, ist eine lange und reiche Geschichte. Man kann sie, zum Beispiel, nachlesen in der Biographie von Rock-Impresario Bill Graham, der versessen darauf war, daß die Bands ihr Bestes gaben und das Publikum nicht merkte, welcher Aufwand sich damit verband. Dazu gehörte zum Beispiel ein aufmerksames Catering für die Bands; aber auch das Publikum wurde im Fillmore West — man kann sich das gar nicht mehr vorstellen — von einem Container mit Äpfeln empfangen. Mit Äpfeln!

Wenn man heute die Veranstalter fragt, wer auf der Bühne steht, wissen sie es nicht. Sie wissen nur, was wir auch wissen, nämlich daß Beck spielt. Während sie sich für die Namen der Musiker nicht interessieren, lassen sie das Publikum am Eingang abtasten wie bei der Krebsvorsorge; es könnte ja etwas verborgen bleiben. Die Musik nach der Show, die Graham erfunden hat („die Leute müssen langsam wieder herunterkommen“), ist heute ein Mittel, um dem Publikum seine Show zu stehlen. Der neueste Terror ist, daß man fürs Pinkeln fünfzig Pfennig bezahlen soll, was bei leidenschaftlichem Biertrinken teurer werden kann als das Parken vorm Haus.

Das Publikum aber, zwischen vierzehn und Mitte fünfzig, ist das alles seit langem gewöhnt, mit Ausnahme eines Mädchens, das ohnmächtig herausgetragen wird, bevor Beck auf die Bühne kommt. Was einen dann auch wieder nicht wundert: Draußen sind es acht Grad, man kann ja nicht im T-Shirt anreisen, und drinnen sind es fünfundzwanzig. Garderobe gibt's nicht.

Beck persönlich erschien im weißen Anzug und mit einer haubenartigen Sixtiesfrisur. Auf dreißig Meter hat er leider nicht die Aura eines John Lennon oder George Harrison, sondern wirkt doch ein bißchen verhutzelt. Von den zwanzig Stücken, die auf einer Liste am Mischpult verzeichnet waren, spielte er alle und noch ein paar mehr: seine ziemlich öde Jungs-Gröhlnummer „Loser“ zum Einstand, dann der Verschnitt von Trash und HipHop, der das neueste Album „Odelay“ dominiert; eine Solophase mit Mundharmonika, Anflüge von Neil Young und Donovan; dann, in den Zugaben verschärft, Funk und Motown-Parodien hart am Rande rassistischen Amusements.

Beck hat Probleme mit der Dynamik der Band, der Übersetzung seines Materials in einen Hallensound, und mit der Dramaturgie eines Konzerts: die ersten zehn Stücke sind zu kurz, um sich einzuhören, und die Ansagen sind zu lang, auch deshalb, weil man sie kaum versteht. Er verpaßt keinen Einsatz, aber er hat nicht das geringste Gefühl für Breaks — ich meine nicht Achtelpausen vom Blatt, sondern Unterbrechungen, die so getimet sein müssen, daß sie in den Zehenspitzen ankommen. Eigentlich hat er überhaupt kein Ohr beim Publikum, obwohl er so tut. Es gibt nicht einen einzigen Moment, in dem ein Gefühl die Menge durchläuft. Plötzlich findet man Zeit, über die hochformatigen Batikgemälde in Goldrahmen nachzudenken, die der Halle mit der schwarzen Decke einen Anflug von Ballsaal geben.

Was auch immer Beck Hansen beginnt, es relativiert sich sofort. Die genialen Pastiches der Plattenaufnahme werden mehr oder weniger reproduziert — das diffuse Verhältnis zu Stilen, das seine Musik eigentlich attraktiv macht, übersetzt sich auf der Bühne in eine bornierte Ideomatik. Man sieht es auch an der Figur Beck selbst. Es gibt da keine Verankerung in seinem Körper, keine Ruhe, keine Coolness. Wie bei Ry Cooder zum Beispiel oder bei Nina Hagen, die Verkörperung der Idee.

Beck ist ein Hampelmann, der seine Jokes mit zackiger Expressivität aufträgt, und die Band von vier Männern, die ihn umgibt, nimmt sich gehabemäßig leider auch nicht zurück. Was sie sollte, denn sie wirkt ohnehin gemietet. Beck musiziert nicht mit Leuten seiner Altersgruppe: In seinen schlechtesten Momenten sah er aus wie Django Edwards, begleitet von den Tubes.

Schade, natürlich, denn an den jungen Mann aus Amerika hängen wir ja ein bißchen die Hoffnung, daß die Sechziger als Scrabble von Leitmotiven zu uns zurückkommen. Damals, wie gesagt, wo die Bands und ihr Publikum zusammenfanden. Aber die Enttäuschung gehört zum Rock 'n' Roll, als Beweis, daß er echt ist. Ulf Erdmann Ziegler

Die letzte Chance zur Überprüfung des Urteils bietet sich am 26.11. in Hamburg.