Der neue „Irrturm“ ist da
: Krise als Chance

■ Neue Psychiatrie-Zeitschrift erschienen

„Die Sonne grüßt goldigen Blicks / Akineton mischt dich auf fix / Riech die duftigsten Gerüche / aus der Kantinenküche. / Hab ein Penthouse mit Blick aufs Meer / die Geschlossene geht stets einher.“

Zeilen aus dem Gedicht „Krisenaufheller“, die sich in der jetzt erschienenen Ausgabe der Zeitschrift „Irrturm“ finden. „Irrturm“ erscheint seit 1988 jährlich – ein 100 Seiten starkes Heft mit Beiträgen von Psychiatrie-Erfahrenen. Schwerpunktthema der Ausgabe: die Krise als Chance. „Krisen sind Unwetter, die der Schönwetterwerbung des Lebens erst so richtig Dampf machen“, heißt es in einem Beitrag. Folgerichtig fragt sich denn auch die „Initiative zur sozialen Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Erkrankungen“, Herausgeberin von „Irrturm“, ob denn Hospitalisierung der richtige Umgang mit psychisch Kranken ist.

„Ambulant vor stationär“ fordert deshalb Gotthard Raab, pädagogischer Mitarbeiter der Initiative. Es gelte, der psychischen Verelendung, die häufig mit der ökonomischen korrespondiere, aus dem sozialen Kontext der Betroffenen zu begegnen. Das heißt, durch betreute Wohngruppen in den Stadtteilen und rund um die Uhr besetzte Kriseninterventionszentren die Einweisung in die Klinik vermeiden, um vor Ort zu helfen. Derzeit arbeiten 30 BetreuerInnen in der Waller Initiative; 125 Menschen leben in betreuten Wohnprojekten.

„Krise als Lebensbegleiter“, „Ich und meine Neurose – Ein vorprogrammiertes Seelentheater in drei Akten“, heißen andere Beiträge. Oder: „Die Erlösung des ödipalen Max“, ein kathartischer Erguß über Pädophilie und inzestuöse Abhängigkeitsverhältnisse.

In ausführlichen Interviews werden BewohnerInnen betreuter Wohnprojekte in Leipzig vorgestellt. Weiteres Thema im Heft: der Utilitarismus, jenes gesellschaftliche Nützlichkeitsdenken, das – biologisch angewandt – in unschöner Nähe zum Euthanasie-Begriff steht. Mu

Der „Irrturm“ kostet drei Mark. Das Heft ist erhältlich u.a. in den Beratungsstellen des sozialpsychiatrischen Dienstes, dem Buchladen Ostertor, dem Buchladen in der Neustadt sowie in der Redaktion des „Irrturm“,