Doch nicht eingenommen

Wie CNN durch Falschmeldungen Menschen tötet  ■ Von Rupert Neudeck

Afrika hat uns wieder. Die Bildagenturen bringen uns täglich den „Dschungel ins Wohnzimmer“. Doch Afrika ist Negerkampf im Tunnel: Zaire und Ruanda – das ist alles gleich: Ki-gali, Ki-shasa und Ki-sangani, fängt ja alles mit Ki-an, also was soll's.

Die ostzairische Provinz KIVU, eineinhalbmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, ist seit dem 21.Oktober für keinen Journalisten einsehbar. Also fliegen die TV-Großmächte mit Satelliten-Flugzeugen über riesige Regenwälder. Die einen sehen 200.000, die anderen 700.000 Menschen in Not. Keiner, der es wirklich über-sehen kann, denn seit zwei Monaten schafft es die Rebellenbewegung, Journalisten aus der Zone herauszuhalten.

Dafür ließen sich die Reporter von CNN am 2. Dezember von Rebellen-Führer Laurent Desire Kabila erzählen, daß Kisangani, die zweitgrößte Stadt in Zaire, eingenommen sei. Während CNN das weltweit verbreitete, telefonierte ich mit dem Unternehmerpräsidenten Mokeni Ekopi Kapa Raymond. „Ich kann Ihnen bestätigen, diese Nachricht ist falsch“, meldetete er sich lachend aus Kisangani. Doch in Kigali steht der Satellitensender der EBU (European Broadcasting Union), und die Fernsehsender Europas senden, was das Zeug hält: Frühstücksfernsehen, Mittagessen-Fernsehen, Abendessen-Fernsehen. Seit Wochen verläßt man sich auf die Tickermeldungen aus Goma, Bukavu, Nairobi. Das ist alles so weit von der Krisenzone entfernt wie Köln von Kaliningrad. Doch was melden die Weltagenturen am 5.12.? „Kindu“ sei eingenommen. Im Falle Kisanganis, so sagt der Oberst Jean Kabongo, müsse er sich korrigieren. Das sei noch nicht ganz eingenommen.

Dabei ist in Kindu ausschließlich die Armee mit ihrem Hauptquartier. Egal – der Oberst im weit entfernten Goma sagt: „We have Kindu, Bunia, Walikale, as well as Butembo and Lubero“ und alle Agenturen melden: „Kindu in den Händen der Rebellen.“ Außerdem sei die „Hafenstadt“ Kisangani umzingelt. Wenn dem so ist, dann sind Potsdam, Dessau, Halle und Berlin auch „Hafenstädte“, denn Kisangani ist weder Hafenstadt noch umzingelt. Am 5.12. und am 6.12. ist die reguläre Fluglinie „Zaire Express“ in Kisangani gelandet: Kein Rebell weit und breit!

Rupert Neudeck ist Vorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur