Weltarbeitsmarkt ohne Norm

Bei Computern kommen sich die WTO-Länder offenbar näher. Doch der Schutz der Umwelt spielt auf der Konferenz keine Rolle  ■ Aus Singapur Andreas Zumach

Der EU-Handelskommissar Leon Brittan verbreitete gestern am zweiten Tag der WTO-Tagung in Singapur Optimismus: „Wir machen sehr gute Fortschritte.“ Die Begeisterung bezog sich auf den weltweiten Computermarkt. Vor allem die USA drängen auf ein Abkommen über den 600-Milliarden-Dollar-Markt. Sie wollen die Zölle für Informationstechnik bis zum Jahr 2000 weltweit abbauen, während mehrere ostasiatische Länder ihre jungen High-Tech-Industrien vor Konkurrenz schützten möchten. Einen Durchbruch bei der Frage gebe es noch nicht, wiegelte der US-Sprecher ab.

Die Kontroverse um die Einführung von Arbeits- und Sozialnormen als handelspolitische Kriterien war auch gestern wieder Thema einer Arbeitsgruppe, nachdem sie schon den Vortag geprägt hatten. Die US-Handelsbeauftragte Charlene Barschefsky hatte bereits in ihrer Rede zum Auftakt die Aufnahme von Arbeits- und Sozialnormen in die Handelsvereinbarungen gefordert. Verstöße gegen derartige Normen sollten künftig als Menschenrechtsverletzungen gelten und mit Handelsrestriktionen geahndet werden können. „Die Sorgen der Arbeitnehmer müssen ernst genommen werden“, betonte Barschefsky. Eine aus Anlaß der WTO-Tagung in Singapur veranstaltete Konferenz des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (Iftuc) verabschiedete eine Resolution mit ähnlichen Forderungen.

Doch von den Staaten des Südens unter den 127 WTO-Mitgliedern werden diese Forderungen entschieden abgelehnt. Der deutsche Wirtschaftsminister Günther Rexrodt machte deutlich, daß die USA auch unter den Industriestaaten des Nordens keine ungeteilte Unterstützung finden. Zwar sei auch die Bundesregierung dafür, daß „überall in der Welt Mindestnormen beachtet werden“. Derartige Normen dürften aber nicht durch die Hintertür als „Vorwand für neue protektionistische Maßnahmen mißbraucht werden“, erklärte Rexrodt. Statt sich als „Lehrmeister“ aufzuspielen, sollten die Industriestaten in dieser Frage einen gemeinsamen Weg mit den Ländern des Südens finden. Unter Konferenzteilnehmern gilt es als unwahrscheinlich, daß die USA ihre erklärte Absicht durchsetzen können, in der für Freitag geplanten Schlußerklärung der Konferenz eine Klassifizierung des Themas Arbeits- und Sozialnormen als Menschenrechtsfrage zu verankern. Wahrscheinlich wird die Schlußerklärung lediglich die Feststellung enthalten, daß das Thema „wichtig“ ist und auch von der WTO weiterbehandelt werden soll, vorrangig aber in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Arbeitsorganisation ILO fällt.

Umweltschutzorganisationen kritisierten am Rande der Tagung, die WTO opfere den Schutz der Umwelt „auf dem Altar des Freihandels“. Der Konflikt zwischen Handels- und Umweltpolitik werde weiter verschärft, kritisierte der World Wide Fund for Nature (WWF). Handelssteuernde Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, um Umweltabkommen wie die Internationale Artenschutzkonvention (Cites) oder das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht umzusetzen, könnten künftig vor Schiedsgerichten der WTO angefochten werden. Auf diese Weise könnten Unterzeichnerstaaten von Umweltschutzabkommen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen umgehen oder zumindest hinauszögern, befürchtet der WWF.

Die Organisation beruft sich bei ihrer Kritik auf entsprechende Empfehlungen des WTO-Ausschusses für Handel und Umwelt auf die Singapurer Ministerkonferenz. Der WWF verweist zudem darauf, daß die USA inzwischen von einem WTO-Schiedsgericht aufgefordert wurde, das vor zwei Jahren verhängte Thunfisch-Fangverbot in ihren Hoheitsgewässern zurückzunehmen.

Die USA hatten das Verbot erlassen wegen Fangmethoden, die die unter Naturschutz stehenden Dephine gefährdeten. Der deutsche Wirtschaftsminister Rexrodt wies die Befürchtung des WWF vor Journalisten als „unbegründet“ zurück.