■ Mädchenträume werden wahr. Heute startet die Deutschlandtournee der erfolgreichsten Boy Group der Welt. Die Backstreet Boys sorgen für ausverkaufte Konzerte, ratlose Eltern und ohnmächtige Girls
: Die Jungs sind okay!

Mädchenträume werden wahr. Heute startet die Deutschlandtournee der erfolgreichsten Boy Group der Welt. Die Backstreet Boys sorgen für ausverkaufte Konzerte, ratlose Eltern und ohnmächtige Girls

Die Jungs sind okay!

Der Viva-Programmdirektor Michael Kreissl staunt noch heute: „Wir waren völlig überrascht.“ 800 Mädchen im Alter zwischen neun und 16 Jahren stürmten im März zu den Studios des Musik-TV-Kanals in die Kölner Vorstadt. Sie blockierten einen Autobahnzubringer, umzingelten einen Omnibus und beschmierten ihn mit ihren Buntstiften. Sachschaden: 60.000 Mark. „Das waren die einzigen echten Teenie-Riots in der Geschichte von Viva“, freut sich Kreissl. Die Ausgeflippten hatten in dem Fahrzeug ihre Helden vermutet: fünf kreuzbrave Jungs aus Orlando im US-Bundesstaat Florida – die Backstreet Boys.

Eine ganze Mädchengeneration steht kopf: Denn jetzt kommt der Showdown. Die Buben aus den USA starten heute in der Bielefelder Seidenstickerhalle ihre Deutschlandtournee. Die 180.000 Karten für die 24 Konzerte bis zur vorläufigen Götterdämmerung am 8. März in Bayreuth sind weg – ausverkauft, nichts geht mehr. 98 Prozent aller Biletts gingen an Mädchen.

Ob in Suhl, Oldenburg, Landshut oder Koblenz – ein Ticket für eine Wallfahrt zum BSB-Konzert wird auf dem Schwarzmarkt um die 200 Mark gehandelt. Das Fünffache des üblichen Preises. Die Hamburger Vorverkaufsstelle Collien meldet: „Nichts zu machen, so kurz vor Weihnachten schon gar nicht.“

Eltern, die jetzt noch den sehnlichsten Wunsch ihrer Töchter erfüllen wollen, erkennen zu spät: Ihr Kind nimmt am angesagtesten Popwahn der Republik teil. Sie haben – wie auch deren Vatis und Muttis – mal wieder nicht richtig zugehört. Immerhin waren die BSB in diesem Jahr die meistabgebildete Gruppe in Bravo.

Viva, neben Bravo das Medium mit der größten Street Credibility bei den jüngeren Popgourmets, wollte wegen der jetzt beginnenden Tournee einen Teddybären verlosen, einen, an dem die Backstreet Boys ihre verschwitzten Hände gerieben haben. Viva-Programmchef Kreissl: „In einer Woche kamen 30.000 Briefe – definitiv das größte Echo, das wir je auf einen Act bekommen haben.“

Musikwissenschaftler rätseln. Zwar wird dem Quintett handwerkliches Können zugestanden. Sie können singen, tanzen und werden zudem perfekt produziert. Und: sie sind keine „arroganten Affen, sondern irrsinnig nett“, so Kurt Thielen von Rough Trade, der Plattenfirma der BSB.

Trotzdem stehen Väter und Mütter – auch taz-RedakteurInnen – ratlos vor den mit BSB-Postern tapezierten Kinderzimmerwänden: Denn die Florida-Boys haben keine andere Botschaft als die, nett und lieb zu Mädchen sein zu wollen („Get Down – You're The One I Need“). Sie berichten von ihrem Liebeskummer und ihrem Schmerz, wenn sie einen Korb erhalten („I'll Never Break Your Heart“). Politthemen bleiben außen vor. Gepredigt wird Intimes: „I Wanna Be With You“. BSB – das sind keine Schweine.

Die Texte sind Botschaften und zugleich Gebote für das künftige Liebesleben mit den echten Nachbarjungs. An den heiligen Schwüren von Nick, Howie D., A.J., Kevin und B-Rok wird Olli von nebenan künftig gemessen. Und schafft er's nicht, muß der Kandidat gehen. Für ganz Widerspenstige halten die Mädchen das Motto der momentan extrem erfolgreichen Girl-Group Tic Tac Toe bereit: „Verpiß dich!“

Zwar haben auch früher schon Gruppen und Sänger geschworen: „Ich trage dich um die Welt.“ Aber die heutigen Mädchen erleben ihre Pubertät anders als ihre Mütter. „Das hat sich in den letzten 30 Jahren kraß gewandelt“, sagt die Pädagogin und Autorin Katharina Rutschky, „Mädchen werden immer expressiver.“ Und körpersouveräner. Handfeste erotische Vorstellungen irritieren schon Zwölfjährige nicht mehr. Emanzipation und Feminismus? Sowieso.

Dieses Selbstbewußtsein haben die Mädchen immer früher. Für die heute Neunjährigen steht die nächste Boy Group schon bereit: 'N Sync. Sie kommen nach Deutschland – nächstes Jahr. Jan Feddersen & Florian Gless