Bosnien rettet den Weihnachtsurlaub

Die Bundeswehr darf nach Bosnien. Bei der Abstimmung im Bundestag fehlten zwar einige Abgeordnete, am Ende aber folgte eine deutliche Mehrheit dem SFOR-Antrag der Regierung  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Auf eine noch breitere parlamentarische Mehrheit als im letzten Jahr hatte die Bundesregierung für ihren Antrag zur Beteiligung der Bundeswehr an der Bosnienmission gehofft. Nach der gestrigen Abstimmung im Bundestag stellt sich nun die klassische Frage, ob das Glas halbleer oder halbvoll ist. 43 Parlamentarier weniger als im Dezember 1995 waren bei der Abstimmung überhaupt anwesend. Die Folge: Es gab weniger Jastimmen – und auch weniger Gegenstimmen als damals.

499 Abgeordnete, darunter auch die meisten Mitglieder der SPD-Fraktion, stimmten in der namentlichen Abstimmung dem Plan der Bundesregierung zu. Danach beteiligt Deutschland sich an der für 18 Monate vorgesehenen Nato- Operation in Bosnien mit rund 3.000 Bundeswehrsoldaten. 93 Neinstimmen und 21 Enthaltungen wurden gezählt. Im letzten Jahr hatten 543 Parlamentarier dafür und 107 dagegen gestimmt.

Die Bündnisgrünen forderten in einem eigenen Antrag, die neue, unter Nato-Führung stehende SFOR-Mission durch einen UN- Blauhelmeinsatz zu ersetzen. Die rüstungspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer, wandte sich in ihrer Rede gegen eine „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“. Es reiche nicht, „im Jahrestakt irgendwelche Militäreinsätze zu beschließen“. Der Friedensprozeß in Bosnien werde Jahre dauern, und die UN müsse in die Lage versetzt werden, ihn zu unterstützen. Fraktionssprecher Joschka Fischer lobte die bisherige Nato-Mission Ifor in Bosnien als Erfolg. In Bosnien gebe es aber derzeit nicht mehr als „die Abwesenheit“ von Krieg. „Wir sind von einem Frieden noch sehr weit entfernt.“ Niemand spreche sich für einen Abzug internationaler Truppen aus. Für eine Übergangszeit müsse es ein Post-Ifor-Mandat geben. Das Ziel aber sei, möglichst schnell zu einer UN-Mission zu kommen.

Redner anderer Parteien kritisierten diese Forderung. Wer in der jetzigen Situation in Bosnien für einen friedenserhaltenden Blauhelmeinsatz plädiere, der setze „leichtfertig das Leben unserer Soldaten aufs Spiel“, sagte Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU). Karsten Voigt, außenpolitischer Sprecher der SPD, wies darauf hin, daß der amtierende UN-Generalsekretär Butros Ghali selbst erklärt habe, die Vereinten Nationen seien auf absehbare Zeit zur Friedenssicherung in Bosnien nicht imstande.

Der UN-Weltsicherheitsrat hatte der Nato erst wenige Stunden vor der Debatte das Mandat für eine neue multinationale Bosnientruppe erteilt. Damit stand endgültig fest, daß auch die deutschen Abgeordneten planmäßig ihren Weihnachtsurlaub beginnen konnten. Für den Fall, daß das Mandat nicht rechtzeitig vorgelegen hätte, hatte die SPD für eine Sondersitzung plädiert. Parteiübergreifend herrschte in der Debatte Einigkeit darüber, daß die Konfliktparteien selbst den Frieden wollen müssen, wenn das Ende des Krieges dauerhaft sein soll. „Man kann nicht auf Dauer den Frieden von außen mit noch so vielen Soldaten aufzwingen“, erklärte Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP). Die Bilanz des zivilen Friedensprozesses nannte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Verheugen „außerordentlich ernüchternd, ja, fast erschreckend unbefriedigend“. Zu einer „fairen Bilanz“ gehöre aber auch, daß man sage: „Die Waffen schweigen.“ Die Entscheidung der SPD, dem Regierungsantrag zuzustimmen, sei „kein schneller und einfacher Entschluß“ gewesen. Eine nur untergeordnete Rolle spielte das Thema Kriegsverbrecher. Zwar betonten mehrere Redner, wie wichtig deren Verhaftung für einen Erfolg des Friedensprozesses sei. Wie man ihrer aber konkret habhaft werden soll, blieb offen.

Siehe Kommentar Seite 10