■ Normalzeit
: Als Oxynasmus auf den Euromarkt

„Unabhängiger Film“ – das ist ein Oxymoron (ein Widerspruch in sich, so wie „grazile Gehemmtheit“), während „amerikanischer Film“ laut Roland Barthes ein Pleonasmus ist (eine Doppelbedeutung so wie „weißer Schimmel“). Am Samstag nun fand im Rote-Armee-Salon der Volxbühne eine diese beiden „Labels“ mixende Diskussion statt. Den Talk moderierte die nicht Englisch sprechende Babylon-Kino- Mitarbeiterin Cornelia, sie meinte jedoch gleich zu Anfang: „Es macht hier mehr Sinn, die deutschen Beiträge ins Englische zu übersetzen als umgekehrt“ (und deswegen würden die englischen Beiträge nicht übersetzt).

Die Teilnehmer kamen mehrheitlich aus New York bzw. aus Berlin – im letzteren Falle waren sie jedoch schon mindestens einmal in New York gewesen. Es ging den Veranstaltern darum, „die Achse Berlin–New York auszubauen“ und in diesem Zusammenhang ein neues „Netzwerk“ zu schaffen mit einem eigenen „Newsletter“ – für die Scene der „Independent und Underground Filmmaker“. Es wurden dafür jedoch keinerlei Kriterien aufgestellt. Ein New Yorker wies lediglich darauf hin, daß dies eine Frage des Inhalts sei. Und daß es wichtig wäre, „im Kopf independent zu bleiben“. Ein anderer meinte jedoch: „Most of the young filmmakers don't have anything to say, they just want to go to Hollywood.“ Heinz vom Berliner Interfilm-Festival gab zu bedenken: „FilmemacherInnen sind schwierige Leute und untereinander meist in Konkurrenz. Sie zusammenzubringen, das endet also wie bei den Grünen oder den Hausbesetzern – im Chaos.“

Eine Filmkritikerin fand die Newsletter-Idee überflüssig – es gäbe ja bereits die „Black Box“. Dafür hielt sie die „Vernetzung“ durchaus für notwendig – als eine Art „Pressure Group“, um wenigstens an einen Teil der staatlichen „Filmförderung“ heranzukommen. Dieser Gedanke gefiel den meisten Diskutanten, keiner stellte mehr die Frage, ob es für unabhängige junge Filmemacher nicht viel sinnvoller wäre, sich zu solidarisieren anstatt zu organisieren.

Unter dem Aspekt der Quantität wäre sogar eine Verhinderung der Vernetzung zu erwägen gewesen: Für die Berlinale 97 wurden bis jetzt beim Forum 140 amerikanische und zwei afrikanische Filme eingereicht. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, daß mindestens 50 Prozent der deutschen Jungfilmer sich bloß an Roadmovies ranschmeißen und sich dabei primär um US- Kompatibilität bemühen, dann ist die endliche Entnetzung keine Frage von Antiamerikanismus, sondern ein Problem der Überdosis.

Dies ganz besonders in Berlin, wo kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in der Bleibtreustraße oder in der Oranienburger wieder ein Wahnsinns-Actionfilm abgedreht wird. Fast fühlt man sich schon verpflichtet, die Stadt vor dieser komischen „Image“-Westerwelle in Schutz zu nehmen. Und tatsächlich haben einige Anwohner der Bleibtreustraße bereits so etwas wie eine Bürgerinitiative gegen diese ganzen Cine- Grausamkeiten gegründet. „Solidarisieren“ (statt Lobbies zu organisieren) meint hier im übrigen erst einmal nicht mehr und nicht weniger, als sich mit seinem jeweiligen „Gegenstand“ innigst identisch zu machen! Wobei das Proletariat hierbei die grobe Richtung vorgäbe. Schon den vor einigen Wochen im Ahornblatt zusammengekommenen „autonomen Filmemachern“ war es um Vernetzung gegangen, dort frönte man jedoch geradezu einem „Inhaltismus“, insofern man immer wieder auf Streik-Movies und die Inszenierung von Randgruppen-Action zurückgekommen war. Selbst ein Werbespot handelte noch vom Antirassismus.

Diese „Künstler“ organisierten sich jedoch erst einmal ihr „Thema“, und zwar real – in Form einer „konzertierten Aktion gegen die soziale Entmischung öffentlicher Räume“. Als missing link zu den eher um eigenen Ausdruck ringenden Filmern im Roten Salon fungierte die blonde Japanerin Akiko Hada, die mit einer Sony-Handycam die ganze Diskussion filmte und am Schluß der Debatte die Begriffe „Video-Ost“ und „Video-West“ ins Spiel brachte. Helmut Höge

wird fortgesetzt