■ Querspalte
: Schlafen macht schlau

Halt. Stop. Obacht. Erst wenn das heißeste Eisen angefaßt, wenn wider den spitzesten Stachel gelöckt, wenn in die sauerste Traube gebissen, kurz: wenn das wirklich letzte Tabu gebrochen ist, darf sich das Jahr verabschieden. (Wiglaf Droste hat vor kurzem an dieser Stelle sein Scherflein dazu beigetragen, indem er das Alleinsein am Heiligabend erfolgreich verteidigte. Ich habe in den vergangenen Tagen mit Bekannten gesprochen, die Drostes Vorschlag teils unwissentlich gefolgt waren und in vorbildlicher Kontaktscheu das traditionell der schabbeligen Familie gewidmete Fest solipsistisch verbrachten. Und sie wurden ihrer froh!)

Aber die nächste herkulische Aufgabe steht unmittelbar bevor. Wir müssen über Silvester reden. „Was machst'n du Silvester?“ ist der Klassiker unter den Jahresendrecherchen. Für die einzig richtigen Antworten, „Mit Omma Mau-Mau spielen, bis sie vorm Fernseher einschläft“ oder „Dem doofen Nachbarn einen Kanonenschlag in den Auspuff seines Volvo schieben, und wenn's gut gebrannt hat, heuchlerisch wie ein Erwachsener herumseufzen“, ist man mit 35 wohl zu alt.

Und entkommt der Frage dennoch nicht. Wie gefällt Ihnen diese Antwort? „Och, weißt du, wir kochen uns was Schönes und machen es uns gemütlich.“ Nein danke, auf der Oppositionsbank möchte man wirklich nicht sitzen. Dann lieber – es geht schließlich um einen Tabubruch – zwischen allen Stühlen, nein, auch falsch, schlicht im Bett liegen. Und zwar schlafend. Das ist es. Schlafen Sie! Um elf Uhr hängen Hose und Jahr kalt am Bett. Überlassen Sie es anderen, Konventionalstrafe für die Einhaltung von Konventionen zu zahlen und mit einem Glas Perlwein in der Hand nicht minder unglücklichen, peinlich berührten Figuren, die sklavisch den Sekundenzeiger beäugen, ein „Frohßneuß Ja!“ wünschen zu müssen.

Wie heißt es in diesen Katastrophenfilmen immer: „Versuchen wir, ein bißchen zu schlafen.“ Genau. Wir könnten nichts Klügeres tun. (Aber vergessen Sie die Wattepfropfen nicht.) Dietrich zur Nedden