Schneider setzt mit Handy über

■ Eiswette '97: Die „Werser geiht“, Schneider sowieso zu schwer

Um ein Haar wäre die ganze feierliche Zeremonie geplatzt: Zwar war das tapfere Schneiderlein überpünktlich zur diesjährigen Eiswette am Punkendeich erschienen – im grünen, flattrigen Rock schlitterte die Hauptfigur des Bremer Rituals von 1829 den Osterdeich hinab zum Ufer. Auch ein silbernes, in der kalten Luft eifrig dampfendes Bügeleisen hatte er mitgebracht: Schließlich sollte er damit auch zum 168. Mal trockenen Fußes die Weser überqueren. Ob die „Werser geiht oder steiht“ – das galt es an diesem Tage um Punkt zwölf Uhr gemeinsam mit den hochehrwürdigen Eiswettgenossen zu eruieren – und zwar schnell, wetterte schon zu Beginn der hochehrwürdige Notarius publicus in schwarzer Robe und schüttelte seine silbernen Perücken-Löckchen.

Ritual ist schließlich Ritual – und da müssen auch die zeitlichen Regeln exakt eingehalten werden. Schließlich handelt es sich ja in dieser Stadt um penible Hanseaten. Aber der Schneider wollte nicht so recht: Lieber alle etwas hinhalten, sabbeln und die Bremer Politiker rügen: Das lag dem Schneider viel näher, als mal eben schnell für zehn zylinderhut-tragende Eiswett-Präsidenten brav über die Weser zu hüpfen. Frierend ließ er sie gemeinsam mit rund 1.500 schaulustigen BremerInnen am schneebedeckten Weserufer bibbern. Und telefonierte derweil lieber per Handy mit Finanzminister Theo Waigel. Ärgerte sich über „Wischi-Waschi“-Umweltsenatorin Tine Wischer, oder schimpfte über soviele „Nölles pardon Nöhler in dieser Stadt.“

Da zogen ihn der Notarius Publicus und der Präsident aber mit barschen Worten auf die bereitgestellte hölzerne Waage. Aber, ach Gott, ach Ihr anwesenden Drei Könige: Welch Schauerspiel: Ganze 180 Gramm wog der Grünrock zuviel, statt der im Wettstatut auferlegten 99 Pfund. Doch das Störgewicht „Handy“ war schnell ausgemacht und der Schneider ebenso eilig zum Ufer komplimentiert.

Aber welch Enttäuschung: Ein eisiger Ostwind hatte am Freitag noch sämtliche Eisschollen von der Weser fortgetrieben und der vom Eiswett-Vorsitzenden obligatorisch geworfene Stein plumpste traurig ins Wasser. „Die Werser geiht“ lautete deshalb die traurige Botschaft am Weserufer, während der Schneider in das Tochterboot „Japsand“ der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger stieg und die Gesellschaft hinter sich ließ.

Ist doch egal, wer jetzt das Eiswett-Essen am 18. Januar im Kongreßzentrum bezahlt. Immerhin spendeten die Eiswettgenossen im letzten Jahr satte 230.000 Mark für die DGzRS. Oder ob der Verteidigungsminister Volker Rühe als Festredner kommt. Darüber schwadroniert der grünrockige Handy-Schneider im nächsten Jahr. kat