Ein Fehler im Sonnensystem

■ Senatskanzlei verbreitete fälschlich einen niedergestimmten Parlamentsbeschluß zur Solaranlagenverordnung als Mehrheitsmeinung. Greenpeace: Fehler hat System

In der Verwaltung herrscht Verwirrung zum Thema Solaranlagenverordnung. Wie aus einem Schreiben der Senatskanzlei an die Ressorts hervorgeht, das der taz vorliegt, hat Diepgens Büro einen falschen Parlamentsbeschluß als gültige Version verteilt. Der Fehler ist nach Aussagen von Senatssprecher Eduard Heußen inzwischen entdeckt und korrigiert worden. Greenpeace vermutet allerdings, daß „im Zusammenhang mit der Solaranlagenverordnung Unregelmäßigkeiten System haben“.

Hintergrund für die Verwirrung ist das ungewisse Schicksal der Solaranlagenverordnung, die bereits seit Mitte 1995 im Senat hängt. Die Vorschrift soll Bauherren dazu verpflichten, bei Neubauten 60 Prozent des anfallenden Warmwasserbedarfs über thermische Solaranlagen zu decken. Berlin hat sich mit dieser „bahnbrechenden“ Verordnung gebrüstet, die der Solarenergie einen großen Schub vorwärts geben soll. Doch wegen Bedenken gegen eine finanzielle Mehrbelastung der Bauherren hat die Bauverwaltung ihr Veto gegen die Verordnung eingelegt.

Im Umweltausschuß des Parlaments hatten sich im Dezember SPD und CDU auf einen Beschluß geeinigt, mit dem der Senat aufgefordert wurde, „bis zum 28. 2. 1997 eine Rechtsverordnung zum Einbau von Sonnenkollektoren zu erlassen, sofern nicht bis zu diesem Zeitpunkt eine gleichwertige Vereinbarung mit der Wirtschaft getroffen ist“. Dieser weichen Variante setzte die Opposition einen Antrag entgegen, die Solaranlagenverordnung „umgehend“ einzuführen. Der Ausschuß stimmte mit den Koalitionsstimmen für die weiche Variante. Bei der Parlamentssitzung am 12. Dezember ging dann allerdings einiges schief. Als die Drucksache 13/1156, die Beschlußempfehlung der Koalition, aufgerufen wurde, befand sich die Regierungskoalition in vorweihnachtlicher Stimmung nicht in ausreichender Zahl im Saal. Die Folge: Die SPD/CDU- Empfehlung wurde niedergestimmt, Grüne und PDS befanden sich mit ihrem Antrag plötzlich in der Mehrheit. Das Parlament stimmte laut Sitzungsprotokoll dafür, die Solaranlagenverordnung „umgehend“ einzuführen.

Das aber sah die Senatskanzlei anders. In einem Schreiben vom 13. Dezember wurde der niedergestimmte Koalitionsantrag als Meinung des Parlaments „mit der Bitte um Bearbeitung“ an die Umwelt- und Baubehörde weitergeleitet. Alle anderen Senatsverwaltungen und die Verwaltung des Abgeordnetenhauses erhielten „nachrichtlich“ den nicht beschlossenen Beschluß mit der Frist bis März diesen Jahres. Senatssprecher Heußen nannte den Vorgang auf Anfrage einen „bedauerlichen Büroirrtum“. Ein Schreiben an die Senatsverwaltungen mit der Unterrichtung über den Fehler sei „bereits abgeschickt“, sagte Heußen am Freitag.

Für Carsten Körnig von Greenpeace ist der Vorfall ein weiterer Hinweis darauf, daß Berlin sich nicht an seine eigenen Vorgaben zum Thema „Solarhauptstadt“ hält. „Mit einer Solaranlagenverordnung ließen sich in Berlin jährlich über 10.000 Quadratmeter Solarkollektoren installieren.“ Bausenator Jürgen Klemann solle endlich seinen Widerstand gegen die Verordnung aufgeben, weil eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft sie nicht ersetzen könnten. Bernhard Pötter