Die Bulgaren protestieren weiter

■ Sozialisten wollen jetzt über Neuwahlen verhandeln, aber an der Macht bleiben. Hafenarbeiter legen kurzzeitig die Arbeit nieder. Gewerkschaft kündigt für die kommende Woche landesweite Streiks an

Sofia (dpa/AP/rtr) – Die bulgarische Opposition will ihre Proteste gegen die sozialistische Regierung fortsetzen, bis ein konkreter Termin für vorgezogene Wahlen ausgeschrieben wird. Das sagte Ewgeni Bakardschiew, Chef des oppositionellen Streikkomitees, gestern im staatlichen Rundfunk in Sofia. Bakardschiew reagierte damit auf die Bereitschaft der regierenden Sozialistischen Partei (BSP), doch mit der Opposition über Neuwahlen zu sprechen.

„Wir sind bereit, Verhandlungen zu führen und haben keine Einwände gegen die Idee vorgezogener Neuwahlen“, hatte der Chef der BSP, Georgi Parwanow, am Sonntag abend im Fernsehen gesagt. Wichtigste Aufgabe der Sozialisten sei aber, eine starke Regierung zu bilden und keine Eintagsregierung für zwei bis drei oder fünf bis sechs Monate. Die BSP habe die Absicht, mindestens ein weiteres Jahr an der Macht zu bleiben, damit Bulgarien stabilisiert werde, fügte Parwano hinzu.

Er forderte den scheidenden Staatspräsidenten, Schelju Schelew auf, die Sozialisten als größte Parlamentsfraktion mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Damit werde die Spannung beseitigt, damit Ende nächster Woche Verhandlungen mit den internationalen Finanzinstitutionen beginnen können.

Unterdessen gingen die proteste gegen die Sozialisten weiter. Im Schwarzmeerhafen Burgas legte die Belegschaft der Ölraffinerie gestern für unbestimmte Zeit die Arbeit nieder. In Warna traten die Hafenarbeiter in einen einstündigen Warnstreik. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Promjana, Dimitar Dimanow, kündigte für die kommende Woche einen landesweiten Streik an, sollte die Regierung nicht nachgeben. Etwa 2.000 Studenten demonstreirten gestern erneut in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Ihr Protestmarsch führte an den Botschaften Österreichs, Italiens und der USA vorbei, wo die Hochschüler Resolutionen abgaben. In ihnen rufen sie die regierungen dieser drei Staaten auf, eine neue sozialistische regierung in Bulgarien nicht zu unterstützen. Ein Abgeordneter der oppositionellen „Union Demokratischer Kräfte“ (SDS) schrieb in einem gestern veröffentlichten Beitrag für die Zeitung Demokratsija, die Proteste würden so lange fortgesetzt, bis das Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben seien.

Die stellvertretende SDS-Vorsitzende Ekaterina Michailowa sagte auf einer protestkundgebung in Sofia, die täglichen demonstrationen gingen solange weiter, bis ein Datum für die Parlamentswahl feststehe. Parteichef Iwan Kostow warf den Sozialisten vor, sie hätten die Menschenrechte mißachtet. Deshalb habe die Opposition das Recht, ihren Rücktritt zu verlangen.

Staatspräsident Schleju Schelew hatte aber Sonntag seine Weigerung erneut bekräftigt, eine neue Regierung zu ernennen, bis sich nicht alle Parteien auf einen neuwahltermin und ein Antikrisenprogramm geeinigt hätten. Nach der Verfassung hat er dazu allerdings kein Recht, sondern ist verpflichtet, den Kandidaten der stärksten Fraktion in diesem Fall der Sozialisten mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der designierte Staatspräsident Petar Stojanow, der am 22. Januar die Amtsgeschäfte übernimmt, appellierte an die beiden politischen Lager, den Konflikt mit einem Kompromiß zu beenden.