Holocaust-Opfer ohne Entschädigung

■ Grüne Bundestagsfraktion will neue Regelung für osteuropäische Juden

Berlin (taz) – Wenige Tage, bevor die Bundesregierung am 27. Januar in einer Feierstunde des Parlaments den Opfern des Nationalsozialismus gedenkt, hat die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag eingereicht, in dem sie Taten fordert. Der Bundestag, so heißt es, möge beschließen, alsbald eine Vereinbarung mit der Jewish Claims Conference zu treffen, die die Leistungen des „Artikel-2- Fonds“ für schwerbeschädigte jüdische NS-Verfolgte auch für Überlebende des Holocaust in osteuropäischen Staaten ermöglicht.

Hinter diesem nüchternen Satz verbirgt sich die Ungerechtigkeit, daß die Bundesregierung bis heute die Holocaust-Überlebenden in den baltischen Staaten, in Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und in Tschechien anders behandelt als die Leidensgenossen, die ihre Herkunftsländer verlassen haben und heute in westlichen Ländern leben. Diese Diskriminierung versuchte man zwar durch die Einrichtung des besagten Artikel-2-Fonds – festgelegt in einem Zusatz zum Einigungsvertrag von 1990 – abzuschwächen, hat es aber niemals getan. Zwar hat sie den von der Jewish Claims Conference verwalteten Fonds mit einer Summe von 975 Millionen Mark ausgestattet, hat aber bis heute keine Vergaberichtlinien verabschiedet, die es der Jewish Claims Conference ermöglichen, monatliche Renten von 500 Mark an schwerbeschädigte NS-Opfer in Osteuropa auszuzahlen. Nach Schätzungen der Organisation gibt es in Osteuropa etwa 13.000 Menschen, die für Leistungen aus diesem Fonds in Frage kommen. Die Grünen, namentlich die Bundestagsabgeordneten Volker Beck und Winni Nachtwei, nannten gestern bei der Vorstellung des Antrags den Ausschluß osteuropäischer Juden aus den Entschädigungsregelungen „makaber“. Überlebende des Holocausts müßten aus ihrem Heimatstaat in den Westen auswandern, um einen nennenswerten Entschädigungsbeitrag zu erhalten. Das sei „politisch und moralisch nicht akzeptabel“. aku