Milošević in der Abwehroffensive

Verschärfung in Serbien: Mit Tricks und Gewalt geht die Regierung gegen die Opposition vor. Eine bewaffnete Eskalation im Kosovo-Konflikt käme Präsident Milošević gerade recht  ■ Von Georg Baltissen

Berlin (taz) – In Serbien verhärten sich die Fronten. In der Stadt Sabac hat ein Gericht den Wahlsieg der Sozialistischen Partei des Präsidenten Slobodan Milošević bestätigt – obwohl die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch in dieser Stadt einen Sieg des Oppositionsbündnisses Zajedno konstatiert hatte. In Belgrad haben die Sozialisten, wie erwartet, Widerspruch gegen die Entscheidung der Wahlkommission eingelegt, Zajedno die Mehrheit im Stadtrat zu gewähren. Milošević zeigt auch nicht einen Funken Bereitschaft, die OSZE-Empfehlungen in die Tat umzusetzen und die Wahlsiege von Zajedno anzuerkennen.

Aber die Regierung setzt nicht nur auf Mätzchen und Finessen, sondern auch wieder auf Gewalt. Erstmals seit Weihnachten ließ sie am Dienstag abend Studenten verprügeln. Einen Studenten, der sich in den Vortagen vor den Milizionären bis auf die Unterhose entblößt hatte, griffen die Soldaten gezielt heraus und verschleppten ihn.

Dramatisch könnte die Lage für Serbiens Demokratiebewegung werden, wenn sich die Spannungen im Kosovo weiter erhöhen. Neunzig Prozent der rund zwei Millionen Einwohner des Kosovo sind albanischer Herkunft. Viele von ihnen fordern die Unabhängigkeit des Landes oder die Vereinigung mit Albanien. Serbien hatte 1989 den Autonomiestatus des Kosovo aufgehoben und ein Jahr später das Parlament aufgelöst. Die Kosovo-Albaner riefen daraufhin 1992 die Republik Kosovo aus und wählten Ibrahim Rugova zu ihrem Präsidenten. Zugleich etablierten sie eine Art Schattengesellschaft, die auf eine völlige Loslösung von der serbischen Zentralmacht und ihren örtlichen Statthaltern zielte.

Die fortdauernde wirtschaftliche, politische und soziale Unterdrückung der Kosovo-Albaner provozierte Widerstand. Seit Jahresanfang wurden innerhalb von zehn Tagen drei Menschen getötet, die als Unterstützer der Regierung in Belgrad galten. Die Verantwortung für diese Anschläge hat eine „Armee für die Befreiung des Kosovo“ übernommen, die sich von der „Demokratischen Liga des Kosovo“ unter Präsident Ibrahim Rugova offensichtlich nicht mehr adäquat vertreten fühlt. In einem Bekennerschreiben heißt es, die Opfer seien wegen „Kollaboration mit den serbischen Besatzern“ getötet worden.

Eine militärische Eskalation im Kosovo böte dem serbischen Präsidenten die willkommene Gelegenheit, den Ausnahmezustand nicht nur im Kosovo, sondern über das gesamte Land zu verhängen. Daß diese Gefahr keineswegs aus der Luft gegriffen ist, zeigen die Bemerkungen des proserbischen Bürgermeisters von Pristina, der Provinzhauptstadt des Kosovo: „Die albanischen Terroristen haben für ihre Anschläge grünes Licht von denjenigen erhalten, die seit zwei Monaten versuchen, Serbien zu destabilisieren“, erklärte er – und wurde von den staatlichen Medien in langen Berichten ausführlich zitiert. Auch die Opposition reagierte. Vuk Drašković von der Serbischen Erneuerungsbewegung nannte diese Wende genau das, „was wir erwartetet haben“. Milošević, so Drašković weiter, versuche, „seine letzte Karte zu spielen, indem er im Kosovo einen Bürgerkrieg vorbereite, ohne sich um die Folgen und das vorhersehbare Blutbad zu kümmern“.

In der Tat scheint es nicht ganz abwegig, daß Slobodan Milošević nationalistische Gefühle der Serben im und für den Kosovo ausnutzt, um auf diese Weise die Opposition auszuschalten. 1987 hatte er seine Eroberung der Macht bekanntlich mit der Kundgebung von einer Million Serben auf dem Amselfeld begonnen.