Noch bevor am Montag in München die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ offiziell eröffnet wird, haben sich die Reihen Ewiggestriger fest geschlossen. Eine unheilige Allianz aus CSU, ehemaligen Wehrmachtsoffizieren und neuen Nazis will jede Diskussion torpedieren. Sie wollen die „Diffamierung der Deutschen“ nicht hinnehmen. Aus München Felix Berth

Briefe aus deutscher Vergangenheit

Schon die Namen der Vereine scheinen nicht so recht in die republikanische Gegenwart zu passen. Der „Bayerische Soldatenbund 1874“ hat einen Protestbrief geschrieben, ebenso der „Verband Deutsches Afrika-Korps“, die „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes“ sowie der „Bund ehemaliger Stalingradkämpfer“. Sie alle haben sich beim Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) gemeldet (vgl. Briefauszüge auf dieser Seite) und haben ihn aufgefordert, die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“, die am Montag im Münchner Rathaus eröffnet wird, nicht zu zeigen. Und das zeigt vor allem eins: wie gut manche der „alten Kämpfer“ noch heute organisiert sind.

Läßt man sich die beiden Briefstapel im Büro des Oberbürgermeisters zeigen, drängt sich beim Durchblättern schnell ein Vergleich mit dem München der Weimarer Republik auf – jener Stadt, in der Kriegsheimkehrer unbehelligt und in relativer Stille die nationalistischen „Freikorps“ formierten, der Stadt, in der das Hakenkreuz zum politischen Symbol aufstieg und braune Gruppen wie die Thule-Gesellschaft kontinuierlich und unauffällig ihr Netzwerk verbesserten.

Doch vermutlich paßt der Vergleich der neunziger mit den zwanziger Jahren nur für einige Ausschnitte der Münchner Wirklichkeit. Denn trotz einer heftigen Kontroverse über die Wehrmachts-Ausstellung sind es kaum mehr als hundert Protestbriefe geworden, die im Rathaus eingegangen sind. Und darin melden sich fast ausschließlich jene zu Wort, die im Zweiten Weltkrieg als Offiziere aktiv waren. Normale Soldaten, die den Weltkrieg erlebt haben, so scheint es, empfinden die Ausstellung nicht als „pauschale Verunglimpfung der Wehrmacht“.

Protest von Neonazis findet sich übrigens auch nicht in den Akten, was allerdings nicht heißt, daß es in München nicht längst ein schweigendes Bündnis von alten Rechten und neuen Nazis gibt. So haben die rechtsextreme NPD und ihre Jugendorganisation zum „nationalen Widerstand“ gegen die Ausstellung aufgerufen (siehe taz vom 6.2.), der unter anderem an der symbolträchtigen Feldherrnhalle zelebriert werden soll. „Ziel der Ausstellung ist es, das Andenken unserer Großväter, den deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges, zu verunglimpfen und in den Schmutz zu ziehen“, heißt es in dem Aufruf zur Demonstration am 1. März, bei der die NPD 1.000 bis 1.500 Menschen aus der ganzen Republik erwartet. Peter Gauweiler, Chef der Münchner CSU, formuliert inhaltlich die gleichen Einwände wie die jungen Rechtsradikalen. Allerdings bewies er vor ein paar Tagen in einer Rede, daß er, anders als die NPD, immerhin den Akkusativ korrekt gebrauchen und auch sonst ganz gut polemisieren kann. O-Ton Gauweiler vor tausend applaudierenden Gästen: Jan Philipp Reemtsma, Nestor des Hamburger Instituts für Sozialforschung, solle statt der Wehrmachts-Ausstellung besser „eine Ausstellung machen über die Toten und Verletzten, die der Tabak angerichtet hat, den er verkauft hat“, statt mit dieser „Einseitigkeit“ viele Menschen in ihrer Ehre zu kränken.

Dem Münchner Vizemeister des abstrusen Vergleichs, dem Ex- Liberalen Manfred Brunner, der für seinen „Bund freier Bürger“ im Stadtrat sitzt, gelang kurz zuvor ein ähnlich geschmackloser Versuch, die Wehrmacht zu entlasten: „Rot- Grün halten heute ein Tribunal über tote Soldaten ab. Damit wollen sie dem eigenen Tribunal entkommen, zum Beispiel über Hunderttausende ermordeter ungeborener Kinder“, sagte Brunner unter dem Beifall von Teilen der CSU. Nach diesen Ausfällen der beiden Politiker – Entgleisungen kann man es kaum nennen, weil Gauweiler und Brunner gezielt um Applaus von rechtsaußen buhlen – läßt sich eine Bilanz der Ausstellung schon heute ziehen: daß der Widerstand gegen eine Diskussion über Wehrmachtsverbrechen nirgends in der Republik so heftig war wie in der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“.

Zwar marschierten in Erfurt einige Neonazis vor der Ausstellung auf, in Bremen lehnt die CDU das Projekt ebenfalls ab, und in Regensburg monierte der CSU-Oberbürgermeister, daß ihm „das Bild, das da von der Wehrmacht gemacht wird, nicht paßt“. Doch die synchrone Polemik von rechts, in die nun auch der Bayernkurier einstimmte, gab es bisher an keinem der 16 Orte, an denen insgesamt etwa 130.000 Menschen die Ausstellung gesehen haben. Hannes Heer, der für das Hamburger Institut für Sozialforschung die Ausstellung konzipiert hat, stellte jedenfalls einen Höhepunkt der Auseinandersetzungen fest: „Dieses mentale und organisatorische Bündnis der CSU mt dem Alt- und Neonaziuntergrund ist ein Alarmsignal“, so Heer zur Nachrichtenagentur AP.

Daß die Auseinandersetzungen in den nächsten Tagen weitergehen, ist abzusehen. Am kommenden Montag wird Oberbürgermeister Christian Ude die Ausstellung eröffnen – was aus Platzgründen nicht in den eigentlichen Ausstellungsräumen im Rathaus stattfindet, sondern in der Universität. Die CSU hat bereits verkündet, daß sie eine Gegenveranstaltung plant – eine „öffentliche Fraktionssitzung“, zu der sie den Historiker Arnulf Baring eingeladen hatte, der aber wegen der „Unmöglichkeit einer nachdenklichen Erörterung“ wieder abgesagt hat. Der ins nationale Lager abgedriftete Ex- Grüne Alfred Mechtersheimer hat ebenfalls eine Protestveranstaltung für den nächsten Montag versprochen.

Ein CSU-Stadtrat widersetzt sich übrigens der Gauweiler-Linie: Franz Forchheimer, der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion. Er wird dem seltsamen Spektakel der „öffentlichen Fraktionssitzung“ fernbleiben und darauf verzichten, sich die pauschale Entschuldigung der Wehrmacht anzuhören, die sein Fraktionschef Hans Podiuk versuchen wird. Statt dessen, so hat Forchheimer angekündigt, wird er zur Eröffnung in der Uni gehen. „Die Ausstellung löst eine wichtige Diskussion über ein ganz zentrales Thema der jüngsten deutschen Geschichte aus“, so Forchheimer zur Abendzeitung. Seit 1972 sitzt der 63jährige Forchheimer im Stadtrat, und sein Mandat läuft noch bis zum Jahr 2002. „Ich bin nun einmal nicht der Typ eines Funktionärs. Ich will nichts werden“, lautet sein Credo.