Mann gegen Weib, Gut gegen Böse

■ "Der Weibsteufel" im Theater im Zimmer, Salman Rushdies "Harun" im Theater für Kinder

Männer sind Schweine und Frauen lügen. Zwei Stunden lang haben sich der Ehemann, sein Weib und ihr Geliebter ausgenutzt und betrogen. Haben sich beschimpft, geschlagen und liebkost. Jetzt liegt der Mann erstochen auf der Bühne und der Liebhaber wandert ins Gefängnis – geschieht ihnen recht. Männer sind eben Schweine, geldgierig und profilierungssüchtig.

Dabei sollte titelgemäß eigentlich die Frau fies sein. Doch der österreichische Autor Karl Schönherr widerlegte in Der Weibsteufel den Namen seines Dramas. Wenn die Männer sie nicht zu Geldvermehrungszwecken mißbrauchten, würde die Frau niemals lügen, geschweige denn betrügen, bilanziert die Dreiecksgeschichte. Denn anfangs ist das Weib wirklich ehebegeistert – bis sie auf Wunsch ihres Hypochonder-Gatten (Niels Hansen) mit dem Grenzsoldaten flirtet. Der soll so von den Schmuggeleien des Mannes abgelenkt werden. Nur dumm, daß die beiden sich verlieben. Als der Soldat sie trotzdem verläßt und ihr Mann sie prügelt, stiftet die Frau den tödlichen Streit.

Auf fast leerer Bühne gerät das Dreiecksdrama im Theater im Zimmer zum Geschlechterkampf. Regisseur Wolfgang Kraßnitzer verlegte das 1915 geschriebene Stück in einen abstrakten Raum, fast ohne Kulissen. Schräger Holzboden, eine zum Kopfstoßen niedrige Decke und eine Bank. Umso konkreter setzt Kraßnitzer Details der Handlung um. Da wird gebrüllt und geschlagen, daß man fürchtet, die Frauenrippen krachen zu hören. Oben ohne rollen das Weib (Brigitte Beyeler) und der Soldat (Michael Dangl) über die Bühne.

Weil die Inszenierung so unverklemmt ist, braucht sie das Bauerntheater-Image nicht zu fürchten, das dem Autor anklebt. Der wollte Strindberg-ähnlich an der bürgerlichen Ehe rütteln. Wegen des österreichischen Dialekts und des bäuerlichen Umfelds galten seine Geschichten aber meist als Provinzschwänke. In Kraßnitzers Inszenierung wirken die mundartlichen Schimpftiraden eher temperamentvoll als hausbacken. Pathetisch wird das Stück nur selten, wenn sich die Frau dem Liebhaber zu Füßen wirft oder ihn mit einem Spitzenband umgarnt. Dann tut ein Stimmungswechsel gut. Kraßnitzer läßt die Schauspieler von der Bühne klettern, um Scheinwerfer zu drehen. Ein Geiger erhebt sich aus der Ecke und stolziert mit Teufelsmaske um die Bühne.

Der Weibsteufel lebt von der Stilmischung, die das Verpflanzen des alten Stückes in eine moderne Kulisse mit sich bringt. Das funktioniert so gut, daß man für eine Weile wirklich glaubt, Männer seien Schweine und Frauen lügen.

Judith Weber

Theater im Zimmer, bis 28. März, tägl. außer montags, 20 Uhr, sonntags 19 Uhr

Khattam Shud – das heißt: Schluß, Aus, Vorbei. Raschid Khalifa, der große Geschichtenerzähler, bringt nur noch ein klägliches „Kra-Kra“ zustande. Dabei ist er für seinen Redefluß berühmt geworden. Selbst von seinen mißgünstigsten Feinden wird er „der Schah von Bla-Bla“ genannt. Ob er die Sprache verloren hat, weil Mutter Soraya die Familie verließ?

Man ahnt, daß das der wahre Grund sein muß, aber es gibt noch eine andere Erklärung: Der finstere Herrscher Khattam Shud hat das Meer der Geschichten vergiftet, aus dem Rashid schöpfte. Davon handelt Harun und das Meer der Geschichten von Salman Rushdie, ein Roman über Raschid und seinen kleinen Sohn Harun. Die Bühnenfassung des Buches hat der Bochumer Freie Regisseur Johannes Zametzer am Theater für Kinder inszeniert.

Es geht um die Bedeutung von Illusionen, und es ist ein Abenteuermärchen: Im Schatten-Reich von Khattam Shud auf dem Mond Kahani soll absolute Ruhe herrschen, denn „die Welt ist nicht da, um Spaß zu haben“. Harun will natürlich seinem Vater helfen, die Stimme wiederzufinden. Mit WENN, einem Wassergeist in Klempner-Kluft, und ABER, einem Wiedehopf, tritt er die Reise zum Mond Kahani an, verbündet sich mit den Bewohnern des Licht-Reiches, und der Kampf zwischen Gut und Böse kann beginnen...

Natürlich muß es in einem Märchen Gegensätze geben. Harun ist aber ein Beweis dafür, daß sie keineswegs klischeehaft ausfallen müssen. Keine der Figuren ist vollkommen: Prinz Bolo wirbt zum allgemeinen Entsetzen um die stockhäßliche Prinzessin Sirene, und Plaudermund, ein verkleidetes Mädchen, will unbedingt in die Buchseitenarmee aufgenommen werden. Doch die Kämpfer gegen die Wortlosigkeit sind ein reiner Männerverein. Bei den Bösen sieht es nicht anders aus. Mudra, der zweitwichtigste Mann im Schatten-Reich, hat von den finsteren Ränken Khattam Shuds längst die Nase voll.

Rushdie hat selbst einen tiefen Schluck aus dem Geschichtenmeer genommen, und Zametzer hat es verstanden, den Reichtum an kleinen Arabesken, die sich um die Hauptgeschichte ranken, ins Theater zu übertragen. Das Bühnenbild ist ein Schachbrett, „ein Alptraum-Symbol“, erzählt Zametzer.

Die Schauspieler nutzen 1001 Möglichkeit, mit Worten und Gesten verspielte Details zu erzählen. Eine beachtliche Leistung, denn Hans H. Rückert, Darsteller des WENN, ist am Tag vor der Premiere schwer erkrankt. Seine Vertreter, Matthias Wiebalck und Bodo Preck, hatten ganze zehn Stunden Zeit, die Rolle zu lernen.

Barbora Paluskova

Bis 18. Mai, Theater für Kinder