Reformrunde ohne Annäherung

Nach der ersten Steuerreformrunde herrscht bei Koalition und SPD Skepsis vor. Vor allem SPD-Chef Lafontaine erweist sich für die Koalition als harter Verhandlungspartner  ■ Aus Bonn Markus Franz

Die Laune der Beteiligten nach dem Steuergipfel am Montag abend sprach Bände. SPD-Chef Oskar Lafontaine war locker, aufgeräumt, gesprächsbereit. Finanzminister Theo Waigel dagegen war kurz angebunden. Und Kanzleramtsminister Friedrich Bohl wirkte regelrecht deprimiert. Dabei waren sich alle in ihrer Beurteilung einig: Eine nennenswerte Annäherung der unterschiedlichen Positionen hat es nicht gegeben. Offenbar kann die SPD leichter als die Koalition mit einem Scheitern der Verhandlungen leben.

Besonders skeptisch beurteilen Teilnehmer der Union den bisherigen Gesprächsverlauf, der von Sachlichkeit geprägt gewesen sein soll. Einer von ihnen kommentierte die Aussichten für die nächste, dann kleinere Verhandlungsrunde am Freitag mit den Worten: „Gegebenenfalls geht nichts mehr. Das wär's dann eben. Ende der Durchsage.“ SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping meinte gestern: „Ich sehe noch keinen Raum, in dem gemeinsame Entscheidungen möglich sind.“

Allein die SPD machte den Versuch, einen Tropfen Nektar aus den an sich fruchtlosen Verhandlungen zu saugen. SPD-Chef Oskar Lafontaine formulierte umständlich: „Es zeichnet sich der Eindruck ab, daß die vorrangige Senkung der Lohnnebenkosten durchaus auf Resonanz stoßen könnte.“ Doch das, so sieht es die Union, ist wohl ein Trugschluß. Zwar will die Koalition ebenso wie die SPD die Lohnnebenkosten senken, dennoch prallen zwei Systeme aufeinander.

Die SPD will vorrangig die Senkung der Lohnnebenkosten erreichen und hat in diesem Zusammenhang die Einführung einer Ökosteuer vorgeschlagen. Die Koalition dagegen beabsichtigt Einsparungen in den Sozialsystemen.

Was die Steuerreform angeht, sind sich die beiden Lager offenbar überhaupt nicht näher gekommen. Zwar ist die SPD bereit, die Unternehmensteuern schon 1998 zu senken, doch strebt sie gleichzeitig eine Entlastung der unteren Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags und einen niedrigen Eingangsteuersatz an. Die Koalition will dagegen die Einkommensteuer erst 1999 reformieren und pocht vor allem auf eine drastische Senkung des Spitzensteuersatzes.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble setzt darauf, daß die SPD beim Spitzensteuersatz automatisch nachgeben muß, wenn sie der Senkung der Unternehmensteuern zustimmt. Eine zu große Spreizung sei verfassungswidrig. Rudolf Scharping bezeichnete diese Auffassung gestern als falsch.

Die SPD versuchte den Eindruck zu zerstreuen, sie wolle die Verhandlungen absichtlich torpedieren, weil vor allem die Koalition die Lorbeeren einer erfolgreichen Steuerreform ernten würde. Diese Befürchtung hatte einige Parteilinke im SPD-Bundesvorstand dazu bewegt, sich bei der Abstimmung über die Verhandlungslinie der SPD zu enthalten. Rudolf Scharping sagte: „Angesichts von 4,7 Millionen Arbeitslosen kann man nicht nur auf die Parteiinteressen achten.“ Es fragt sich aber, ob Scharping damit auch für Oskar Lafontaine spricht. Einer der Verhandlungsführer der Koalition hat den Eindruck, daß zwar Scharping, Voscherau und Schleußer die Verhandlungen zu einem Erfolg führen wollen, nicht aber Oskar Lafontaine.