Nix da mit: Freiheit für die Dummen.

■ betr.: „Die Zähigkeit der ,bleier nen Jahre‘“, taz vom 13.2. 97

Carlo Ginzburg schickt also seinen Brief an die falsche Adresse, denn – so weiß Werner Raith – „aufgrund des demokratischen Urprinzips der Gewaltenteilung darf sich ein Justizminister absolut nicht in die Rechtsprechung einmischen“.

Von der Einhaltung demokratischer Prinzipien ist im weiteren Textverlauf dann weniger die Rede. Da, wo die Justiz gegen sie verstößt, problematisiert Raith nicht etwa das, sondern kritisiert Sofri, sich dem nicht zu unterwerfen oder zumindest anzupassen.

So fragt er, wieso Sofri seine Unschuld nicht beweist – muß er doch wissen, daß das in Italien (und nicht nur dort) zur Verurteilung führt. Überhaupt, die Lotta- Continua-Leute haben die „falsche Strategie“, gehen doch die geistig Minderbemittelten in Berufung – wo doch gerade „bei den höheren Instanzen Sofris Intelligenz gefragt gewesen wäre“.

Nix da mit: Freiheit für die Dummen.

Ich selber bin zu Lebenslänglich verurteilt, mit der Beweislage kann dieses Urteil nicht viel zu tun gehabt haben – lag's vielleicht an meinem Intelligenzquotienten? Auch Raiths Einschätzung von „publizistischem und politischem Druck“ ist bemerkenswert – beides würde sich negativ für Angeklagte auswirken, schreibt er. War also das, was ich immer für Desinteresse oder Resignation hielt, in Wirklichkeit praktische Solidarität? Dann sollten sich die Initiativen wie das „Forum für Monika Haas“ vielleicht besser auflösen.

Doch Sofri macht noch mehr Fehler. Er distanziert sich (vor Gericht) nicht glaubwürdig vom „eigenen Beitrag bei der Erzeugung dieses Klimas der Gewalt“ – das haben nicht nur die Geschworenen so empfunden, nein, auch für Raith hat er da einfach zu wenig gebracht.

Mag sein, daß Werner Raith in einigen anderen Punkten recht hat, und was sein Hauptanliegen betrifft: die Kritik an der Unfähigkeit der Linken zur Aufarbeitung von 68, stimme ich ihm voll und ganz zu.

Aber daraus die Verknüpfung und letztlich Legitimation für Urteile wie das gegen Sofri abzuleiten finde ich absurd und falsch.

Daß Urteile gegen Linke oft wenig mit tatsächlichen Beweisen zu tun haben, kann zum Allgemeinwissen gezählt werden – und genau das zeigen die 22 Jahre Haft gegen Adriano Sofri oder aktuell der Prozeß gegen Monika Haas hier.

Da macht eine Rachejustiz einzelne zum Sündenbock, und viele, die gerade in den frühen 70er Jahren ihr eigenes Denken und Fühlen auch in den Aktionen bewaffneter Gruppen wiedergefunden haben, stehen heute bloß daneben und sind froh, daß dieser oft unberechenbare Kelch staatlicher Verfolgung nicht sie selbst erwischt hat. Und da fällt Werner Raith nichts besseres ein, als einen Mann wie Carlo Ginzburg dafür anzugreifen, daß er sich mit einem „Dokument ohnmächtiger Wut“ einmischt. Birgit Hogefeld