Die Armee sichert den Ölboom für den Konzern

Der britische Ölkonzern BP soll in Kolumbien an schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung beteiligt sein. Diese Vorwürfe erhebt ein britischer Europaabgeordneter  ■ Von Gerhard Dilger aus Bogotá und Alois Berger aus Brüssel

Wer ihm den brisanten Bericht gesteckt hat, kann Richard Howitt nicht sagen: „Das wäre für den zu riskant.“ Denn das 45-Seiten-Dokument, das der britische Europaabgeordnete aus Kolumbien mitgebracht hat, beschreibt eine heikle Zusammenarbeit des britischen Ölkonzerns BP mit der kolumbianischen Armee. Und die, das steht auch in dem Bericht, geht mit unangenehmen Leuten nicht zimperlich um. Wer in Kolumbien gegen BP protestiert, riskiert sein Leben.

Seit 1991 bohrt BP in der kolumbianischen Provinz Casanare nach Erdöl. Casanare, eine gute halbe Flugstunde von Bogotá entfernt, jenseits der östlichen Andenkordillere, war früher vor allem wegen seiner riesigen Rinderherden bekannt, die auf den weiten Ebenen grasen.

Seit der Erschließung der Ölfelder ist es vorbei mit der ländlichen Idylle: In der Hoffnung auf Arbeit strömen alljährlich Zehntausende nach Casanare. Doch nur die wenigsten finden einen festen Job, ungelernte Arbeitskräfte können froh sein, wenn sie eine der gutbezahlten Tätigkeiten auf den Baustellen von British Petroleum ergattern – und die ist dann auf 28 Tage begrenzt. Was folgt, ist wieder Arbeitslosigkeit.

Mit dem Ölboom haben auch die Konflikte zugenommen. Guerilla, Armee, paramilitärische Einheiten, Drogenhändler und gewöhnliche Kriminelle machen die Gegend unsicher. In der Provinzstadt Aquazul gab es im letzten Jahr 80 Morde – gemessen an der Einwohnerzahl von 23.000 sind das viermal soviel wie im Landesdurchschnitt.

Vor anderthalb Jahren untersuchte eine gemischte Kommission aus Regierungsvertretern und Mitarbeitern des Bauernverbandes Anuc die Menschenrechtssituation in Casanare. Das Ergebnis war der Regierung offensichtlich zu heiß: Sie ließ den Bericht in der Schublade verschwinden – bis ihn eben im vergangenen Herbst irgend jemand Howitt in die Hand drückte.

In dem Bericht wird dokumentiert, wie durch die schlampige Absicherung der Ölbohrungen das Grundwasser verseucht und Wälder zerstört wurden. Mindestens 170 Bauernfamilien wurden von ihrem Land vertrieben, Proteste der Bevölkerung gewaltsam niedergeschlagen. Um ihre Anlagen zu sichern, so der Bericht, habe sich BP mit der gefürchteten 16. Brigade der Armee eingelassen. Über die obligatorische Kriegssteuer von einem Dollar pro Barrel Öl hinaus soll der Konzern umgerechnet rund 13 Millionen Mark für Unterkunft und Verpflegung der Soldaten und zum Aufbau eines neuen Bataillons gespendet haben.

Nicht in den Bericht aufgenommen ist der harte Vorwurf gegen BP, den Howitt von anderen hörte: Die Ölfirma habe Fotos und Videobänder an die Militärs übergeben. Die lokale Betriebsleitung von BP habe Aufnahmen von Protestkundgebungen gemacht und den örtlichen Armeekommandanten überlassen. Einige der Demonstranten wurden später verschleppt, gefoltert, ermordet. Die lokale BP-Leitung bestreitet das, doch der Kommandant des Sicherheitsdienstes B2 der 16. Brigade bestätigte dem britischen Europaabgeordneten gegenüber: „Die Aufnahmen waren für uns sehr nützlich.“

Nach dem Bericht der Menschenrechtskommission ist die 16. Brigade für eine Reihe von Morden an Gewerkschaftern und Anuc-Aktivisten verantwortlich. Zum Beispiel an Carlos Mesias Arrigui, der Anfang 1995 einen Streik gegen BP anführte. Die Militärs haben ihn daraufhin öffentlich als Guerillero gebrandmarkt. Am 13. April 1995 wurde Arrigui erschossen.

Die Methode, so konstatiert der Regierungsbericht, sei immer dieselbe: Die Armee nennt die Namen, und die von ihr unterstützten, aber kaum kontrollierten paramilitärischen Todesschwadrone machen die schmutzige Arbeit. Niemand werde zur Verantwortung gezogen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen fänden nicht statt: „Das Justizsystem in Casanare basiert auf Zeugenbestechung und Einschüchterung.“

Die Konzernzentrale in London hält die ganze Geschichte für „eine lokale Angelegenheit“, die örtliche Betriebsleitung wäscht die Hände in Unschuld. John Doust, BP-Manager in Kolumbien, wirft Howitt „grobe Verzerrung der Fakten“ vor: „Es handelt sich um ein Sammelsurium von Gerüchten und unbewiesenen Behauptungen. Wir haben die Generalstaatsanwaltschaft gebeten, den Behauptungen nachzugehen.“

Doch so einfach läßt sich David Howitt nicht abspeisen. Er war gerade wieder fünf Tage in Kolumbien und hat mit Bauern, Politikern und BP-Funktionären gesprochen: „Nach diesem Besuch kann ich sagen, daß die Drohungen gegen Leute, die gegen BP protestieren, System haben.“ Ihm sei erneut von einem Fall berichtet worden, „wo ein BP-Angestellter die Armee holte und Protestierende als Guerilleros diffamierte“.

Der Labour-Abgeordnete legt Wert auf die Feststellung, daß er kein Maschinenstürmer ist: „Ich möchte, daß BP in Kolumbien bleibt und dort erfolgreich ist.“ Er sehe auch, daß es für BP schwierig sei, in einem Land wie Kolumbien zu investieren. Aber der Konzern müsse die Umwelt- und Menschenrechtsprobleme endlich zur Kenntnis nehmen und sich jetzt dem Dialog mit der Bevölkerung stellen. „Die Ölreichtümer müssen gerecht mit der Gemeinschaft geteilt werden, sonst besteht die Gefahr, daß BP in Kolumbien in den selben Ruf kommt wie Shell in Nigeria.“