Ein Puppenheim wird Möbelhaus

■ Markus Dietze zeigt sein Ibsen-orientiertes Theaterprojekt Nora. unbehandelt. fünfzehnmark in einem schnieken Einrichtungshaus nach Geschäftsschluß

Das wird eine merkwürdige Party, in die wir uns da eingekaufen sollen. Eine Sitzparty auf exklusiven Designermöbeln in einem asepitschen, cleanen Wohnzimmer, in dem weder getrunken, gegessen geschweige denn geraucht werden darf. Dazu noch die Gastgeber in ihrem engstem Kreis, die offensichtlich alle gerade ziemlich unentspannt Konflikte unter sich auszutragen haben.

Der Regisseur Markus Dietze bringt die Figuren aus Henrik Ibsens Nora oder ein Puppenheim in seinem Theaterprojekt Nora, unbehandelt. fünfzehnmark in eine noch spannungsreichere Lage, als sie das Drama von 1879 sowieso schon vorgibt: Er nimmt ihnen die Bühne weg. Aus dem heimeligen Wohnzimmer, in dem Nora und Torvalt Helmer sich und ihren Gästen ihre intakte kleine Welt - ihr Puppenheim eben - vorspielen, macht Dietze ein öffentliches, Zuschauern und Schauspielern gemeinsames Wohnzimmer. Ein durch imaginäre Wände angedeutetes Zimmer in der 1500qm großen Ausstellungs- und Verkaufshalle des Möbelhauses Cramer bildet den Raum für die sich nun entspinnenden Intrigen. Freie Platzwahl auf den Ausstellungsstücken macht die Zuschauer zum Bestandteil, fast zur Requisite des Stückes. Sie befinden sich mitten im Geschehen - eben wie auf einer Party.

Wie läßt sich das Nora-Motiv Ibsens in einem öffentlichen Raum gestalten? Wie funktionieren Intrigen in einem Raum, in dem die Intriganten alle gleichzeitig präsent sind und alle Handlungen transparent? Und wie funktioniert Theater ohne die sichere Distanz von Bühne zu Zuschauerraum, wie reagieren Zuschauer und Schauspieler in dieser Distanzlosigkeit?

Das sind die Fragen, die Markus Dietze dazu veranlaßt haben, Auszüge aus Ibsens Originaltext mit neuen Texten, etwa von Botho Strauß und Elfriede Jelinek, zu ergänzen und so die Geschichte um die Frauenfigur Nora weiterzuerzählen. Im Sinne Jelineks etwa, wo Nora, nachdem sie Mann und Kinder verlassen hat, zur Domina geworden, schließlich wieder dem Ehemann Torvalt ihre peitschenden Dienste verkauft.

Auch an Dietzes Abend geht Nora einen neuen eigenen Weg. Sie ist die einzige, die der ausweglosen Wohnzimmersituation entkommt, um am Ende des Abends erneut ihren Weg in die Unabhängigkeit anzutreten. Und die Zuschauer verfolgen durch die Schaufensterscheiben hindurch ihren Weg auf die Kieler Straße. Was sie gerade hier will, muß eine nächste Inszenierung verraten. Eva Rink

Premiere: Do, 20. März, 20 Uhr, Cramer Möbel & Design, Kieler Straße 301, Reservierungen unter Telefon 478198