Journalist muß zahlen

■ Das Landgericht Görlitz spricht ihm das Recht auf Informantenschutz ab

Görlitz (taz) – Eine kleine Meldung, die der Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/ADN im März vor zwei Jahren absetzte, kommt ihn heute teuer zu stehen. Die zweite Strafkammer des Landgerichts in Görlitz verurteilte Jörg S. gestern zu einem Ordnungsgeld von 750 Mark. Der Korrespondent hatte sich dem Gericht gegenüber geweigert, Informationen, die er seinerzeit vom stellvertretenden Leiter des Bundesgrenzschutzes in Frankfurt (Oder) erhalten hatte, preiszugeben. Das Gericht spricht Jörg S. ab, sich auf sein Informantengeheimnis berufen zu können.

Fragwürdig an diesem Verfahren ist nicht allein die abenteuerliche Rechtsauffassung. Schon die Vorgeschichte des Prozesses offenbart eine eigenwillige Behördenpraxis entlang der Neiße. Am 10. März 1995 meldet ddp/ADN einen „spektakulären Aufgriff“ des BGS: Zwei polnische Autoschieber wurden gefaßt und zwei gestohlene Mercedes sichergestellt. Staatsanwalt M. telefoniert am 13. März mit dem Korrespondenten. Er will wissen, woher S. die Informationen habe. Ob in diesem Gespräch der Name des Angeklagten als Quelle benannt wurde, steht dahin. Grenzschutzstellen- Vize Heinz Heldmann jedenfalls wird danach vorgeworfen, Dienstgeheimnisse verraten zu haben.

Daß einen Tag vor der Agenturmeldung der damalige Präsident des Grenzschutzpräsidiums Ost, Pusch, die beiden Aufgriffe bereits öffentlich bestätigt hatte, interessiert niemanden. Pusch wird nicht befragt; er stirbt bald darauf bei einem Hubschrauberabsturz. Das Bundesinnenministerium überläßt die Sache gleich der Görlitzer Staatsanwaltschaft. Die kommt jedoch nicht weiter, weil der Journalist S. von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.

Eine Verhandlung gegen den BGS-Beamten kam gestern nicht zustande – der einzige brauchbare Zeuge der Anklage, der Journalist, wurde wegen seines Einspruchs gegen den Zwangsgeldbeschluß ausgeladen. Da in den nächsten zehn Tagen kein neuer Verhandlungstermin zustande kommt, muß der Prozeß von vorn beginnen. Möglich, daß dann der Journalist S. in Handschellen vorgeführt wird. Die Kammer hat Beugehaft angedroht. Detlef Krell