Suche nach dem Motiv

■ Nach dem fingierten Anschlag in Den Haag spricht Anwalt von einem Unfall

Den Haag (taz) – Die Unruhe im Den Haager Stadtviertel Schilderswijk, in dem drei Viertel der Bevölkerung Ausländer sind, ist groß. Innerhalb einer Woche flogen Molotowcocktails gegen zwei Ausländerzentren, wurden sechs Türken Opfer einer Brandstiftung. Und jetzt hat der Organisator des Schweigemarsches vom Freitag, Martin de Goede, bekannt, den Brand in seiner Wohnung selbst gelegt zu haben. Alida Dolleman, die mit de Goede in der Bewohnerorganisation „'t Hoefeiser“ arbeitet, kann es kaum fassen: „Der Mann ist verrückt geworden.“ Am Abend treffen sich die Mieter- und Ausländergruppen des Viertels zu einem Krisengespräch. Über das Motiv ihres Mitstreiters aber herrscht bei allen Ungewißheit.

Die Reaktion der Betroffenen ist verständlich: „Erneut Anschlag in Schilderswijk“ mutmaßt der Haagsche Courant zur Brandstiftung in der David Bleesstraat. Das regionale „Radio West“ sendet ein zuvor aufgenommenes Interview mit dem 56jährigen Demo-Organisator. Nach dem Erhalt eines Drohbriefes habe er Angst bekommen. Eine Nacht verbringt er bei Familienmitgliedern, dann sei er ins Viertel zurückgekehrt. „Ich muß dableiben. Sie sollen nicht die Macht über uns erhalten.“ In der folgenden Nacht brennt es in seiner Wohnung an der Vordertür.

In verwirrtem Zustand gelangt de Goede mit Atemproblemen ins Krankenhaus. Kurz darauf wird er festgenommen. Zum zweitenmal gerät der Den Haager in den Mittelpunkt des Interesses. Noch im Winter setzte er sich für die Obdachlosen der Stadt ein. Jeder in Schilderswijk kennt den Grauhaarigen, der gegenüber dem Büro von „'t Hoefeiser“ wohnt. Nach dem Tod der sechs Türken organisierte er die Protestkundgebung. Den ganzen Dienstag über fragen sich die Menschen im Viertel, wer den vierten Anschlag auf de Goede verübt hat, um sich am Nachmittag damit abzufinden, daß de Goede selbst der Urheber war. Die Frage nach seinem Motiv bleibt. Der Anwalt des 56jährigen, Rob Heemskerk, erklärt den Brand mit einem Unglück in der Wohnung seines Mandanten. Martin de Goede habe in der Nacht zu Dienstag nicht schlafen können. Um drei Uhr sei er an die Tür gegangen, um sein Fahrrad mit einer Flasche Waschbenzin zu säubern. Die Flasche habe sich durch eine fallende Zigarette entzündet. Heemskerk berichtet, de Goede habe niemals von einem Anschlag gesprochen. Sein Nachbar Rafael G.: „Ich höre ihn häufig noch spät in der Nacht.“ G. kann sich nun auch denken, warum sein Hund kurz vor dem Feuer nicht anschlug. In der David Bleesstraat war es zu diesem Zeitpunkt ruhig. Harald Neckelmann