„Die Linie der Regierung fortsetzen“

■ Der bulgarische Politologe Dejan Kiuranow zu Perspektiven nach der Wahl

taz: Die Wahlen am kommenden Sonnabend scheinen schon entschieden. Handelt es sich um eine nachträgliche Legitimierung des Sieges der Opposition nach den Januardemonstrationen?

Dejan Kiuranow: Nein, das ist vielmehr eine Legitimierung des Sturzes der BSP-Regierung. Eine Legitimierung des Sieges der Opposition wird es erst in dem Moment geben, wenn die neue Regierung, die voraussichtlich vom Vorsitzenden der Union der Demokratischen Kräfte (SDS), Iwan Kostow, geführt werden wird, es tatsächlich schafft, die jetzige erfolgreiche Linie der Regierung von Stefan Sofianski fortzusetzen.

Sofianski hat ein großes Tempo vorgelegt. Und die Erwartungen der Bevölkerung sind dementsprechend hoch. Könnte das für die neue Regierung zu einem Problem werden?

Sofianski hat bewiesen, daß es möglich ist, Probleme, die noch vor drei Monaten unlösbar schienen, in den Griff zu bekommen. Wahrscheinlich wird dieses Kabinett als kürzeste und effektivste Regierung in die Geschichte Bulgariens eingehen. Das macht das Regieren für die Nachfolger sehr schwierig.

Wie stehen die Chancen, daß Kostow als neuer Premierminister den Kurs von Sofianski fortsetzt?

Die Chancen stehen 60 zu 40 dafür, daß Kostow es schafft. Zum einen geht es um die Person von Kostow selbst. Wir wissen noch nicht, inwieweit es ihm gelingt, seine neuen politischen Erfahrungen, die er in sehr schwierigen Zeiten gesammelt hat, in eine effektive Regierungstätigkeit umzusetzen. Ein größeres Problem ist aber sein Team. Da gibt es sehr viele unfähige Leute. Und die müssen ausgetauscht werden. Da ist natürlich Widerstand zu erwarten. Deshalb muß sich Kostow schnell einen Mechanismus einfallen lassen, wie er mit Kabinettskrisen fertig wird. Bei all dem muß dem Vorsitzenden der SDS aber eins klar sein: Die Menschen werden ihn aufmerksam und kritisch beobachten. Denn wenn unsere Gesellschaft durch den Sturz der BSP-Regierung unter Schan Widenow eins gelernt hat, dann dies: daß eine Regierung, wenn sie schlecht ist, zu Fall gebracht werden kann, das heißt abtreten muß. Interview: Barbara Oertel