■ Bei der Steuerreform bleiben die SPDler auf Kurs
: Kein Affront gegen Lafontaine

Angesichts der jüngsten Äußerungen einiger SPD- Ministerpräsidenten im Steuerstreit werden sich Kohl und Schäuble wohl stillvergnügt die Hände reiben. Bricht nun also doch der Damm der SPD-Ministerpräsidenten? Werden Sie ihre Länderinteressen über die der Partei stellen?

Wer geneigt ist, diese Fragen mit ja zu beantworten, geht wie selbstverständlich davon aus, daß Lafontaine mit seiner Meinung im Kreise der SPD-Ministerpräsidenten allein dasteht. Doch das ist ein Irrtum.

Daß nach den gescheiterten Steuergesprächen von seiten der SPD nun wieder Bewegung in die Sache kommt, sollte nicht mit bröckelnder Loyalität zu Lafontaine verwechselt werden. Denn im Kurs, den der SPD-Chef seiner Partei aufgedrückt hat, ist einiger Spielraum. Und genau den nutzen die Ministerpräsidenten, um sich zu profilieren.

Was ist am Wochenende passiert? Wie üblich sind die Medien ausgeschwärmt, um für ihre Sonntagsausgaben mangels aktueller politischer Ereignisse brauchbare Stimmen einzusammeln. Dabei wird schon mal die eine oder andere Äußerung hochgekocht. Besonderes gewichtig erschien, daß Hamburgs Bürgermeister Voscherau ankündigte, die Länder könnten für die Steuerreform eine Belastung von fünf Milliarden Mark tragen. Schon triumphiert der CDU- Fraktionsvorsitzende Schäuble, dies komme einer Nettoentlastung von 13 Milliarden Mark gleich. Dank der SPD-Ministerpräsidenten bewege sich die SPD nun doch auf die Koalition hin, die eine Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark anstrebt. Sollte Schäuble vergessen haben, daß Lafontaine unmittelbar nach dem Scheitern der Steuergespräche bedauert hatte, daß es nicht zu einem Kompromiß von „um die zehn Milliarden Mark“ gekommen sei?

Auch die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis meldete sich zu Wort. Sie befürwortet einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent. Ein Affront gegenüber Lafontaine, der auf 53 Prozent beharrt? Ohne den SPD-Chef hätte sich die SPD wahrscheinlich mit der Koalition schon längst auf einen Spitzensteuersatz von um die 40 Prozent geeinigt. Insofern kann Lafontaine den Vorschlag von 49 Prozent für sich eher als Erfolg verbuchen.

Die SPD bewegt sich. Doch nicht über den Kopf von Lafontaine hinweg. Kanzler Kohl kann froh sein, – siehe Biedenkopf –, wenn es ihm in seiner Partei ähnlich geht. Markus Franz