Man macht sich lustig

Nach dem 1:0 gegen die Slowakei versucht sich das DEB-Team in der WM-Relegation am Toreschießen  ■ Aus Helsinki Günter Klein

Man macht sich lustig über Deutschland. „Finnland schluckt Bratwurst und Sauerkraut“, hatten Fans des Eishockey-WM-Gastgebers mit erstaunlicher orthographischer Sicherheit auf ein Transparent gepinselt. Das war, als die Deutschen den Suomis als Statisten für eine 6:0-Abendshow dienten. Die Witzelei ging weiter während des samstäglichen Spiels gegen die Slowakei. Eine Kapelle im Trachtenlook intonierte „O Tannenbaum“, wohl um anzudeuten, daß diese deutsche Mannschaft nur durch weihnachtsartige Bescherungen von oben zu Toren und Punkten kommen könnte. Und die Regie in der „Hartwall Areena“ zu Helsinki spielte in den Pausen Westernhagen: „Mach dir keine Sorgen, es wird schon weitergehn...“

Es geht weiter. Peter Draisaitl, der Kölner Stürmer, pflegt seit jeher die These: „Irgendwann springt die Scheibe so hin, wie du sie brauchst.“ Nun sieht er sich bestätigt: In der 55. Minute hatte er das freie Tor vor sich, und das auch noch aus wenigen Zentimetern. Draisaitl verwertete, Deutschland kam so zum vierten Treffer im fünften WM-Match und zu zwei Punkten, die die Perspektiven schlagartig verbessern: Man muß nun nicht bar jeglichen positiven Resultats nach Tampere in die Relegationsrunde.

Wie erzielt man ein Tor? Das war das ganz große Thema der allseits bemitleideten Deutschen. Stürmerlegende Erich Kühnhackl, im Trainerstab für das Coaching der Enkelgeneration verantwortlich, bat zu Einzelgesprächen, erklärte, daß es eigentlich nichts zu erklären gebe, weil: „Du kannst da nicht mit einem Plan hinfahren, du mußt das aus der Intuition heraus machen.“ Klar, gewisse Verhaltensgrundregeln gebe es schon: „Bei unseren Stürmern ist der Schuß zuerst hart, dann genau, dann schnell“, sagt Kühnhackl. „International muß es aber so sein: erstens schnell, zweitens genau, drittens hart.“

Also nochmals: schnell abziehen, dann erst genau, und die Härte ist das letzte Kriterium. Draisaitls Treffer war dann aber ein mit Bedacht und ohne Hast erzieltes Softtor, der slowakische Tormann Dragan zappelte nämlich meterweit entfernt auf dem Bauch liegend vor sich hin und konnte keine Gegenwehr leisten.

Die zweite ganz große Chance ergab sich in der Endphase dieses letzten deutschen Gruppenspiels: Die Slowakei drängte auf den Ausgleich, nahm ihren Schlußmann vom Eis, DEB-Verteidiger Brad Bergen fuhr einen Konter und verfehlte das leere Netz.

Da hat dann auch George Kingston lachen können. Anschließend ist er wieder ernst geworden und hat nochmals doziert über grundlegende Probleme des deutschen Eishockeys. Mit wie gewohnt drastischen Vergleichen. Alle Ausländerbeschränkungen in der Liga fallen, es müssen nur noch fünf Spieler deutscher Herkunft auf der Gehaltsliste mitlaufen – für Kingston ist das wie der Atombombenabwurf über Hiroshima, „da gibt es nur noch ein schwarzes Loch“.

Das bessere und der Bedeutsamkeit einer Eishockey-Veranstaltung angemessenere seiner Bilder war dann das, auf dem er seine Spieler an einer Reckstange hängen sah: „Die Finger schmerzen, aber die Jungs lassen nicht los. Jetzt wurden sie belohnt.“

Man stand davor, eine kritische Phase zu erreichen, gestand er ein. Es drohte die Gefahr, daß die Spieler mit gegenseitigen Schuldzuweisungen beginnen würden. Das 1:0 gegen die Slowakei hat entspannt. Nichtsdestotrotz muß man in die Relegation und dort morgen gegen Lettland (18.30 Uhr) antreten, dann gegen Italien und Norwegen. Die gute Nachricht: Die Finnen werden mit den Deutschen keine Scherze mehr treiben, sie interessieren die Gastgeber nicht mehr. In der Finalrunde wird richtiges Eishockey gespielt. Mit mehr Toren.