Von Moa- und Wachtelhühnern

Mit Hilfe von Gentechnik und Hirnübertragung kreieren Forscher neue Wesen  ■ Von Manfred Kriener

Seit mehr als 300 Jahren ist der Moa ausgestorben. Jetzt wollen japanische und neuseeländische Wissenschaftler den Riesenvogel vom Tode auferstehen lassen. Genetische Erbinformationen aus Knochenresten des flugunfähigen Tieres sollen in Hühnerembryonen eingepflanzt werden. Aus dem Ei könnte dann eine neukonstruierte Kreuzung schlüpfen. Yasuyuki Shirota, japanischer Gentechexperte der Hirosaki Universität, ist bei der umstrittenen Genübertragung vor allem an jenem Erbmaterial von Dinornis giganteus interessiert, das Farbe, Verhalten und Körpergröße der Vögel bestimmt.

Der japanische Experimentator hofft, daß durch die Genübertragung einige Charakteristika des Moa bei den Hühnern sichtbar werden. Den Sinn des ethisch umstrittenen Wiederbelebungsversuches sieht er darin, daß auf diese Weise Aussehen und Verhalten des Urtieres präziser rekonstruiert werden könnten.

Shirotas Wissenschaftskollegen sind allerdings skeptisch, ob das Experiment wirklich gelingt. Zwar lassen sich auch aus sehr alten Tier- oder Pflanzenfunden manchmal tatsächlich noch DNA-Bruchstücke isolieren. Dazu ist allerdings eine konservierende Lagerung erforderlich, wie zum Beispiel bei in Bernstein eingeschmolzenen Insekten. Weitere Hürde: Lassen sich aus gefundenen DNA-Bruchstücken überhaupt Gene identifizieren? Sie müßten dann kopiert und mit einem Gentaxi eingeschleust werden. Für welche Eigenschaften die eventuell gefundenen Gene zuständig sind, ist ebenfalls unklar.

Nachdem die Meldung von der beabsichtigten Huhn-Moa-Kreuzung durch die Presse ging, haben sich gleich mehrere Straußenzucht-Unternehmen bei dem japanischen Forscher gemeldet. Ihr Anliegen: Sie wollen von den Experimenten profitieren und Wachstumsgene des Moa auf die Strauße übertragen, damit die Tiere noch größer werden und mehr Fleisch abwerfen.

Shirota hatte vor dem Moa-Experiment bereits Gene der Wachtel auf Haushühner übertragen. Auf diesem Gebiet hat allerdings sein Kollege Evan Belaban in San Diego den Vogel abgeschossen. Der US-Forscher erschuf Wachtelhühner, die in ihrem Verhaltensmuster zwischen den beiden Spezies stehen. Anders als sein japanischer Kollege tauschte Belaban bei seinen Experimenten keine Gene aus, er übertrug Hirnsubstanz durch einen chirurgischen Eingriff. Der Biologe hatte Hühner- und Wachteleier, die am selben Tag gelegt worden waren, anbrüten lassen. Anschließend bohrte er ein Loch in die Schale und operierte die winzigen Tierkinder. Dabei wurden der Wachtel Hirnareale herausgeschnitten und dem Huhn eingesetzt. Belaban verwendete unterschiedliche Hirnregionen, um so die Effekte besser studieren zu können.

Mit Hilfe eines Flötenspiels, das Vogelmelodien simuliert, brachte er die Hühner mit den Zellen aus dem Wachtelhirn zum Singen und Gackern. Ergebnis: Zwei Hühner, die ein Transplantat aus dem Mittelhirn erhalten hatten, beherrschten die typische Dreitonmelodie des Wachtelgesangs. Hühner, die eine Scheibe des Stammhirns eingesetzt bekommen hatten, gackerten wie ganz normales Federvieh, wackelten aber in der typischen Wachtelmanier mit dem Kopf. Die Transplantation des Vorderhirns zeigte keine Wirkung. Das übrige Verhaltensrepertoire der Hühner sei durch die Übertragung der fremden Hirnsubstanz nicht verändert worden, sagte Belaban. Die Forschungen sollen das komplizierte Zusammenspiel der verschiedenen Hirnareale auf das Verhalten von Tieren erhellen.