Ende einer angekündigten Versöhnung

■ Die erste Station war zugleich die letzte: Mikis Theodorakis bricht die gemeinsame Europatour mit Zülfü Livaneli aus gesundheitlichen Gründen ab

„Mazi! – Birlikte! – Together!“ lautete die Losung. Doch als Zülfü Livaneli, der türkische Polit-Chansonnier, den einen Kopf größeren, aber auch ungleich älteren Kollegen Mikis Theodorakis auf der Bühne begrüßte, da wußte er schon, daß der erste gemeinsame Auftritt in Berlin wohl auch der letzte ihrer geplanten Tour sein würde. Theodorakis' Berliner Arzt hatte dem 72jährigen Musiker schon am Nachmittag dringend von einer Fortsetzung abgeraten. Das letzte Stück des Abends war noch nicht verklungen, da hatte es die zahlreich erschienene Journalistenschar schon schriftlich: Mitarbeiter verteilten Kopien des ärztlichen Attests, das Auskunft über „erhebliche, akut aufgetretene Atemwegsbeschwerden“ gab, die einer „sofortigen Abklärung und Therapie“ bedürften. Um weiteren Spekulationen, Theodorakis sei lebensgefährlich erkrankt, vorzubeugen, hieß es ergänzend: „Der Gesamtzustand von Herrn Mikis Theodorakis ist sonst stabil.“

Davon konnte sich das Publikum auch selbst überzeugen. Der große Mann des griechischen Lieds zeigte sich im Laufe des dreistündigen Konzerts kaum angeschlagen und gab inbrünstig einige seiner bekanntesten Hymnen zum besten. Als er gegen Ende Arm in Arm mit Zülfü Livaneli ein altes Kampflied aus den Tagen der Diktatur anstimmte, da hatte er den Saal fest im Griff. Daß seine Stimme gelegentlich etwas belegt klang, mochte nicht unbedingt überraschen, denn zu den großen Sängern gehörte die Komponistenlegende Theodorakis ohnehin noch nie. Bedeutung erlangte er vielmehr als Symbolfigur des Widerstands gegen die griechische Obristendiktatur, die 1974 fiel, und als politisch engagierter Künstler, der Anfang der Neunziger ausgerechnet unter dem konservativen Premier Mitsotakis ein Ministeramt übernahm. Mit dem Gesinnungsgefährten Livaneli, mit dem er 1986 ein gemeinsames Album aufnahm, Konzerte in der Türkei und Griechenland gab und mit dem er eine griechisch-türkische Freundschaftsgesellschaft ins Leben rief, wollte er noch einmal ein Zeichen setzen für die Aussöhnung zwischen den beiden kulturell so nahen, aber politisch tief verfeindeten Nationen.

Das umjubelte Konzert im mehr als ausverkauften Auditorium des Berliner Hauses der Kulturen der Welt sollte den standesgemäßen Auftakt einer großangelegten Europatournee bilden, die durch Paris, Brüssel, Frankfurt, München, Stuttgart und Köln führen und ihren Höhepunkt im Juni in einem gemeinsamen Konzert auf Zypern finden sollte – unter UN-Aufsicht auf dem Gelände des stillgelegten internationalen Flughafens an der Demarkationslinie. Daniel Bax