Arbeitslose gibt es ab sofort im Sonderangebot

■ Seit 1. April können private Firmen neue Lohnkostenzuschüsse bekommen, wenn sie Erwerbslose einstellen. Gleichzeitig werden immer weniger ABM bewilligt

Berlin (taz) – Improvisation muß sein. „Wir packen hier alle mit an“, sagt Sozialpädagogin Sylvia Stein. Sie sitzt am Schreibtisch und nestelt ein Gummiband in den Bund einer orangeroten Stoffhose. 800 von den Dingern hat der Kunde beim Modetheater Berlin GmbH geordert. Eine Chance für die Schneiderwerkstatt, eine der raren Ausgründungen aus ABM- Projekten. Das liegt im Trend der Arbeitsförderung: weg von den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), hin zu Lohnkostenzuschüssen für Jobs auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt.

Seit dem 1. April bekommen gewerbliche Unternehmen im Osten ein Jahr lang einen Lohnkostenzuschuß in Höhe von rund 1.900 Mark, wenn sie einen Arbeitslosen zusätzlich einstellen. Neugegründete Kleinunternehmen kriegen ein Jahr lang eine Lohnsubvention in Höhe von 50 Prozent für jeden neu eingestellten Erwerbslosen. Ferner übernehmen die Arbeitsämter die Lohnfortzahlung bei Krankheit, wenn Unternehmer einem Erwerbslosen mit einem sogenannten „Eingliederungsvertrag“ eine Chance geben. Außerdem gelten nach wie vor die Lohnkostenzuschüsse für ältere und schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose.

Der Trend zum ersten Arbeitsmarkt ist vor allem eine Sparmaßnahme. Mehr als 4.000 Mark brutto kostet eine ABM-Kraft durchschnittlich im Monat, bezahlt vom Arbeitsamt und aus öffentlichen Kassen. Die neuen Lohnkostenzuschüsse dagegen liegen in der Regel nicht über dem Arbeitslosengeld – und sind für die Arbeitsämter ein Nullsummenspiel.

Auch das Modetheater war vor einem Jahr noch ein aufwendiges ABM-Projekt mit 25 Frauen, die flatternde Abendkleider und karierte Bürokostüme steppten. Verkaufen durfte das ABM-Projekt nicht. „Heute sind wir eine normale Produktion“, betont Unternehmensleiterin Tamara Rouditser. Fast normal: Die 16 älteren Näherinnen beim Modetheater in Berlin-Tempelhof bekommen gegenwärtig Zuschüsse zwischen 50 bis 70 Prozent der Lohnkosten. Erst die Subventionen ermöglichen es der Schneiderwerkstatt, für Bekleidungsfirmen kleine Serien zu fertigen und Röcke und Hosen zu ändern.

Das Geld für die neuen Lohnsubventionen wird aus dem ABM- Topf genommen. Dieser sogenannte zweite Arbeitsmarkt bricht ein. „Wir rechnen damit, daß die Mittel für Neubewilligungen von AB-Maßnahmen in diesem Jahr um bis zu 40 Prozent zurückgehen werden“, sagt ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Derzeit sind in Gesamtdeutschland noch 243.000 Leute in ABM beschäftigt, der Einbruch bei den Neubewilligungen wird für das dritte und vierte Quartal erwartet.

„Das ist eine Katastrophe“, sagt Uwe Gluntz, Geschäftsführer von Atlantis, einem Umwelt-ABM- Projekt in Berlin-Kreuzberg. Der Träger büßte in den vergangenen Monaten bereits 130 ABM-Stellen ein und mußte als Folge davon 20 festangestellte Mitarbeiterinnen kündigen.

Einen Ersatz für den wegbrechenden zweiten Arbeitsmarkt der ABM können die Lohnkostenzuschüsse nicht sein. Erstens ist noch nicht abzusehen, wie groß das Interesse der Privatunternehmer an den Zuschüssen sein wird, und zweitens riskieren die Arbeitsämter erhebliche „Mitnahmeeffekte“. Firmen, die vielleicht ohnehin neue Mitarbeiter eingestellt hätten, können sich jetzt die qualifiziertesten Arbeitslosen samt Subvention herauspicken. „Die Nettobeschäftigungseffekte sind bei reinen Lohnkostenzuschuß-Programmen fraglicher als bei ABM“, fürchtet Eugen Spitznagel, Arbeitsmarktforscher beim Nürnberger IAB-Institut.

Die billigste Methode, Arbeitslose unterzubringen, praktiziert die niederländische Beratungsfirma Maatwerk. Die Maatwerker spürten in Hamburg vor Ort in Klein- und Mittelbetrieben „versteckte offene Stellen auf“, so Mitarbeiterin Hanny Lukassen. Darauf wurden dann vorher ausgesuchte Sozialhilfeempfänger vermittelt. 300 Leute hievten die Maatwerker in Hamburg so auf Dauer in den ersten Arbeitsmarkt – und kassierten pro Nase 4.000 Mark Vermittlungsgebühr. Eine flächendeckende Lösung für das Jobproblem ist das allerdings nicht: „Die Vermittler picken sich die Rosinen unter den Leistungsempfängern heraus“, sagt ein Kritiker von der BA, „und der regionale Jobmarkt ist bald abgegrast.“ Barbara Dribbusch