Früher betend, heute zwanglos

■ Bremerinnen wollen wieder Beginenhöfe für alleinstehende Frauen / Gebäude der Tirpitz-Kaserne sind im Gespräch / Heute „Beginentreffen“

Geht es nach dem Verein BBM (Bremer Beginenhof Modell), werden in einstigen Bundeswehrgebäuden bald fast ausschließlich Frauen wohnen. Das ist zugegeben etwas weit gegriffen, auf die derzeit leerstehende Tirpitz-Kaserne in Gröpelingen trifft es womöglich zu. Jedenfalls glauben bislang bereits rund achtzig Bremerinnen daran, daß die Hansestadt bald wieder ein Beginenhaus hat, in dem alleinstehende Frauen zusammenleben. Oben genannte 80 solcherart Gleichgesinnte haben sich seit März zusammengefunden.

Die Werbetrommel rührte Dr. Erika Riemer-Noltenius, in Bremen vor allem als Ex-Frauenausschuß-Vorsitzende bekannt. Seit Ende April ist sie außerdem erste Vorsitzende des BBM-Vereins und für sie steht fest, daß die (bremische) Gesellschaft wieder Beginen braucht, denn ähnliche Projekte in Mühlheim an der Ruhr oder in Mainz beweisen: „Der Zeitgeist ist reif für die Initiative.“

Zeitgemäß kombinieren die Beginen des ausgehenden 20. Jahrhunderts ihr Modell mit der Agenda 21. Eigentlich aber handelt es sich um ein mittelalterliches Revival: Beginen oder auch Beghinen – so benannt nach ihrer graubraunen (auch: beigen) Tracht – begannen im 12. Jahrhundert, unabhängige Lebensgemeinschaften aufzubauen. Vor allem in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland entstanden dann im 13. und 14. Jahrhundert autarke Beginenhöfe. Sie waren jedoch nur „klosterähnlich“, die Frauen legten keine Gelübde ab. Meistens hatten die Beginen eigenen Grundbesitz.

Auch Bremen ist nicht unbefleckt in der Beginentradition – doch ist davon nur die Straße „Auf dem Beginenlande“in Kattenturm geblieben. „Diese bezieht sich wohl auf einen Landbesitz der Bremer Beginen“, vermutet Dr. Frauke Krahé. Seit die Historikerin Anfang der 90er „Bremerinnen im Mittelalter“recherchierte, weiß sie von zwei ehemaligen Beginenhöfe in der Hansestadt: „Der Sankt-Katharinen-Hof und der Sankt-Nikolai-Hof, beide offensichtlich Klöstern zugeordnet. Warum sie verschwanden, ist nicht bekannt.“Gewisse kirchliche Rituale entdeckte Krahé bei der Beschreibung der Lebensweise der Beginen, „Beten etwa diente als Strafmaßnahme.“Auch hielten die Frauen regelmäßig Vigilien (nächtliche Gebetswachen) ab. Männer durften nur unter Aufsicht ins Haus.

Solche Regeln liegen den Beginen anno 1997 fern. Doch haben auch sie ihre Grundsätze erarbeitet: Eine eigene Wohnung von circa 65 qm für jede Frau, Gemeinschaftsräume, generationsübergreifendes Zusammenleben, Kinder und Haustiere erwünscht, größtmögliche Zwanglosigkeit. „Von zwanzig Jahren aufwärts bis zum Schluß sind dem Alter keine Grenzen gesetzt“, so Riemer-Noltenius.

Ein Grundsatz, den etwa Beginen-Fan Christine Bartschat (alleinstehend, 60, Sachbearbeiterin im Ruhestand) nicht attraktiv findet, denn dahinter stecke doch der Gedanke an kollektive Kinderbetreuung. „Zu diesen selbstlosen Frauen gehöre ich nicht. Ich möchte vor allem nicht alleine leben, weggesteckt oder verwaltet werden.“Christine Bartschat liebäugelt deshalb jetzt schon mit dem zweiten Bremer Beginen-Projekt für Frauen ab 50 Jahren aufwärts.

Projekt eins nimmt bereits konkrete Formen an: Zusammen mit der alternativen (gemischten) Wohnprojektgruppe „Allahopp“sind die Bremerinnen in Verhandlung mit der Bundesfinanzverwaltung, seit Auflösung der Tirpitz-Kaserne zuständig für die Zukunft der Gebäude. 3,3 Millionen Verkaufssumme wurden den Projektfrauen genannt. „Mit sozialem Wohnungsbau ginge der Preis sogar um fünfzig Prozent runter“, so Erika Riemer-Noltenius. Während „Allahopp“tatsächlich Teile des Kasernen-Gebäudes kaufen möchte, schwebt den Beginen die Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft vor. sip

Interessierte alleinstehende Bremerinnen sind heute um 19 Uhr zum Vereinstreffen des Bremer Beginenhof Modells eingeladen: Bremer Presse Club, Schnoor 27.