Kriminell durch Schadstoffe in der Umwelt

■ US-Forscher macht Schwermetalle für antisoziales Verhalten verantwortlich

Schadstoffe in der Umwelt sind mitverantwortlich für kriminelles Verhalten und Gewalttätigkeit. Diese gewagte These stellte der US-amerikanische Politologe Roger Masters in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins New Scientist auf. Insbesondere die Einwirkung der Schwermetalle Blei und Mangan auf das Gehirn würden dazu beitragen, daß „unsere Bremsen für gewalttätiges Verhalten gelockert werden“, meint der Forscher, der am Dartmouth College in Hannover, im US-Bundesstaat New Hampshire tätig ist.

Masters stützt seine These auf statistische Erhebungen, die für einzelne Regionen in den USA einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Umweltverschmutzung und der Kriminalitätsrate aufzeigten. Die bisher weitgehend akzeptierte Theorie, daß vor allem wirtschaftliche und soziale Faktoren für kriminelles Verhalten verantwortlich sind, könne nicht erklären, warum in Gemeinden mit den höchsten Blei- und Manganbelastungen die Rate an Mord, Raub und Sexualvergehen um das Dreifache höher ist als im US-Durchschnitt. „Die Umweltverschmutzung ist ein genausogroßer Faktor wie der Wohlstand“, meint der Politologe.

Daß Blei und Mangan zu Hirn- und Nervenschädigungen führen, ist seit langen schon bekannt. Doch bisher wurden Vergiftungserscheinungen nur bei hoch belasteten Personen registriert. Um seine Theorie zu untermauern, verweist Masters auf neuere Experimente mit Nervengewebe. Durch die Einwirkung von Blei bilden sie demnach schädliche Stoffwechselprodukte, die sich im Gehirn anreichern und die Psyche verändern können. Versuche mit Mangan, das im übrigen auch in Zahnfüllungen Verwendung findet, hätten zudem gezeigt, daß die Bildung der Botenstoffe Serotonin und Dopamin im Gehirn gehemmt werde.

In Wissenschaftskreisen stößt Masters' Theorie auf Kritik. Der britische Pathologe Alastair Hay, von der Universität in Leeds, hält die Theorie zwar für plausibel, weist aber darauf hin, daß in hoch belasteten Gebieten die Menschen nicht zwangsläufig auch höhere Mengen der toxischen Substanzen aufnehmen. Wolfgang Löhr