Kein Argument für eine Verschiebung bis 2003

■ Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Klaus Böger, widerspricht dem Koalitionspartner CDU. Er fordert die Bezirksreform für 1999. "Wir müssen mit der CDU einen Weg finden, sonst wird's fürchterlich

taz: Herr Böger, wie verstehen Sie sich denn mit KLaus Landowsky?

Klaus Böger: Wir sprechen beide deutsch, und von daher ist die Verständigung gegeben.

Das Klima in der Großen Koalition hat sich durch den Fall Haase nicht verbessert.

Das ist wahr. Das Klima ist frostig. Der Fall Haase ist aus Sicht der CDU ein Koalitionsbruch, aus meiner Sicht ein Parlamentsvorgang. Daß er das Klima in der Koaltion belastet, nehme ich zur Kenntnis.

Klaus Landowsky hat Sie in dieser Plenarsitzung mit dem Auszug der CDU-Fraktion regelrecht vorgeführt ...

Überhaupt nicht. Vorgeführt hat Klaus Landowsky dabei den Präsidenten, der zu meiner Riesenüberraschung geschwind mit aufgestanden und rausgerannt ist. Wenn jemand, der Präsident des gesamten Hauses sein will, aus dem Parlament auszieht, stellt sich die Frage, wer da wen vorgeführt hat.

Wie geht es weiter?

Wir hatten nie die Absicht, das Parlament zu chaotisieren. Wir haben wohlüberlegt unser Votum abgegeben.

Wir finden, die Fragen liegen jetzt eindeutig bei der CDU und bei Herrn Haase. Wie wir uns in Repräsentanzfragen verhalten, das muß ich offenlassen.

Innerhalb der SPD wird das Rumoren gegen die Große Koalition immer lauter. Auch der Rücktritt der Finanzsenatorin wird nicht mehr ausgeschlossen. Gibt es innerparteiliche Auseinandersetzungen um die Fortsetzung der Koalition?

Die gibt es überhaupt nicht. Wir wissen, daß wir Erfolg haben müssen. Nur mit politischem Erfolg kann man eine Alternative anstreben.

Warum tagt jetzt in kurzer Folge der Koalitionsausschuß? Können Sie sich in Senat und Parlament nicht mehr ausreichend verständigen?

Das sehe ich nicht so. Es war unsere Initiative, den Koalitionsausschuß vor der Sommerpause zustande zu bringen. Wir haben zwei, drei große Kernfragen zu besprechen, und es ist überhaupt nichts Ungewöhnliches, wenn sich der Koalitionsausschuß mit diesen großen Sachfragen beschäftigt.

Erstens ist dies die Bürokratiereform und die Verkleinerung des Parlaments. Hier sind Entscheidungen überfällig.

Zweitens steht an, über weitere strukturelle Veränderungen in einem Vier- bis Fünf-Jahres-Zeitraum zu entscheiden.

Und drittens müssen wir uns über die Vermögensaktivierung, deren Inhalt, Art und Form dringend verständigen.

Bei der Bezirksreform sagt die CDU jetzt 2003. Sie sagen weiterhin 1999. Sind Sie an der Zeitlinie verhandlungsbereit?

Für den CDU-Zwischenbscheid „12 Bezirke, aber erst 2003“, gibt es kein einziges sachliches Argument. Alles, besonders aber der enorme finanzielle Druck, spricht für 1999.

Schon in der letzten Legislaturperiode haben wir die Bezirksgebietsreform verschoben. Und jetzt sind wir schon wieder in der Situation, daß der Bundestagswahlkampf vor der Tür steht und ich das als Argument gegen die Umsetzung höre. Die Entscheidung ist überfällig und muß spätestens in diesem Spätsommer im Parlament getroffen werden. Über Details kann man dann noch reden.

Der andere Dauerstreit zwischen SPD und CDU, die Sanierung des Haushalts, steht im August in der Haushaltsklausur an, der Vermögensverkauf wird am 17. Juni im Koalitionsausschuß behandelt. Worüber werden Sie sich dort mit der CDU streiten?

Der Senat hat die Deckelung mit 500 Millionen Mark Minderausgaben beschlossen. Das muß umgesetzt werden. Einfach, das sage ich auch für die Kollegen und KollegInnen der CDU, ist in diesem Haushalt gar nichts. Was ich bemängele, ist, daß immer noch gebunkert und geflunkert wird. Manches, was vor Jahren undenkbar schien, muß gemacht werden. Um diesen Umbau kommen wir nicht herum. Das schafft man nicht in einer Dauersitzung an einem Wochenende. Und es klappt schon überhaupt nicht, wenn die CDU- Seite reinkommt und brüllt: „Wir wollen keine graue Stadt“, und die andere Seite hat den Haushalt zu sanieren.

Wo liegen Gemeinsamkeiten und wo Streitpunkte?

Für die SPD gibt es bei der Frage der Wohnungen eine sehr klare Zielorientierung. Wir wollen auf keinen Fall den Spekulanten auf die Sprünge helfen. Deshalb muß es ein breitangelegtes Kaufangebot als Eigentumsmaßnahme an Mieter geben. Außerdem befürworten wir die Veräußerung von Aufwendungsdarlehen, die Konzentration der Wohnungsbaugesellschaften oder Mieteraktien. Dies liegt alles auf dem Tisch. Bei den Liegenschaften muß man überlegen: keine Parzellierung, sondern die Verwertung en bloc. Das bringt viel mehr. Dann hätten wir auch die Chance, eine stattliche Milliardensumme zu erhalten, die genutzt werden könnte, um Schulden zu tilgen. Vermögensveräußerungen wirken aber nur zusammen mit strukturellen Veränderungen.

Haushaltspolitische Entscheidungen bekommen derzeit stets den Namen „strukturelle Veränderungen“. Ersichtlich wird dabei aber kein Konzept — auch nicht bei der SPD.

Es reicht doch nicht, so wie die FDP nur vom schlanken Staat zu sprechen. Da kommt sofort die Assoziation Nachtwächterstaat und Neoliberalismus. Einerseits. Andererseits steht das Modell Bundesrepublik alt: der durchbürokratisierte Staat der Daseinsvorsorge. Zwischen diesen beiden Polen muß die SPD einen intelligenten, zukunftsträchtigen Weg finden. Hier müssen wir noch über so manche selbstgelegte Hürde springen.

Und diesen Balanceakt wollen Sie mit der CDU meistern?

Wir müssen mit der CDU einen Weg finden. Das soll ja hier keine Notgemeinschaft sein, sondern eine Gestaltungskoalition, auch wenn sie gewisse Konflikte ertragen muß.

Die Stadt hat großartige Perspektiven, man muß sie nur zukunftsfähig machen, und darin sehe ich die Aufgabe der SPD. Wenn wir in der Politik ein Minimum an Aufbruchstimmung erzeugen könnten, dann haben wir unsere Aufgabe geleistet. Ich kann es auch banal formulieren. „Fit für 2000“. Die Politik muß gerade in dieser Stadt Zuversicht ausstrahlen.

Und wer soll diese Zuversicht für die SPD ausstrahlen?

Wir haben ein sehr gutes Team und arbeiten hervorragend zusammen. Wer dann die SPD in die Wahlauseinandersetzung führt, das wird Anfang 1999 zu entscheiden sein.

In der CDU wird über die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen spekuliert, zeitgleich mit der Bundestagswahl?

Ich halte davon nichts. Wir haben einen Wählerauftrag bis 1999, den gilt es zu erfüllen. Ich halte auch nichts davon, die Verfallszeit von politischen Aussagen noch zu steigern. Ich mag Spekulatius nicht, weder als Plätzchen noch als politisches Programm. Die Koalition ist dann zu Ende, wenn sie zu Ende ist. Aber vor dem Ende müssen wir erfolgreich sein und Leistungen vorweisen. Wenn das nicht gelingt, kann's fürchterlich werden.

Interview: Barbara Junge