Für ein schlankes Bayern ohne Senat

■ Ein Volksbegehren soll den bayerischen Senat kippen, der zehn Millionen Mark kostet. Die CSU steckt im Dilemma

Nürnberg (taz) – „Eintragen!“ Auf Tausenden von Plakaten in ganz Bayern prangt diese Aufforderung. Geht es nach dem Willen von SPD, Bündnisgrünen, FDP und der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP), sollen in den kommenden zwei Wochen zehn Prozent der Wahlberechtigten im Freistaat, also rund 880.000 Bürger, den Aufruf „Schlanker Staat ohne Senat“ unterzeichnen. Klappt das, dann genügt bei einem Volksentscheid im Herbst die einfache Mehrheit, um den Satz „Der Senat ist die Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gemeindlichen Körperschaften des Landes“ aus der Verfassung zu streichen. Das Gremium, das jährlich knapp zehn Millionen Mark verschlingt und von seinen Gegnern für „völlig überflüssig“ gehalten wird, gäbe es dann nicht mehr.

Kein anderes Bundesland hat einen Senat, doch in Bayern zählt die zweite Kammer aus Vertretern von Handwerk, Industrie, Landwirtschaft, Gewerkschaften, Hochschulen, Kirchen und Gemeinden seit 51 Jahren zu den obersten Staatsorganen. Von Anfang an war eine solche Ständekammer umstritten. 1946 war die CSU dafür, dem vom Volk gewählten Landtag eine zweite Kammer zur Seite zu stellen. Die SPD und die amerikanische Besatzungsmacht waren dagegen. Heraus kam ein Kompromiß. Die zweite Kammer wurde eingerichtet, doch sie durfte keine Gesetze beschließen. Die 60 Senatoren, die ein Eintrittsalter von 40 Jahren mitbringen müssen und auf sechs Jahre gewählt sind, können nur Gesetzesvorlagen unmittelbar in den Landtag einbringen und zu jedem Gesetzentwurf der Staatsregierung Stellung nehmen. Einwendungen des Senats muß hernach der Landtag beraten.

Die Senatsgegner kritisieren nicht nur die Überalterung des Gremiums und den minimalen Frauenanteil von knapp sieben Prozent, sondern vor allem, daß der Senat seit seinem Bestehen nur 43 eigene Gesetzesinitiativen zustande gebracht hat. Nur bei jedem neunten vom Landtag beschlossenen Gesetz hatte man etwas einzuwenden, und nur jeder vierten Einwendung trug der Landtag Rechnung.

Dafür kassierte jeder Senator einen Grundbetrag von 2.500 Mark monatlich. Zuzüglich der Sitzungsgelder und Entfernungspauschalen summiert sich dies auf Beträge zwischen 4.000 und 6.000 Mark monatlich. Ein beachtlicher Zuverdienst für die ohnehin schon gut dotierten Verbandsfunktionäre und Honoratioren. „Es war noch nie so einfach, zehn Millionen einzusparen“, betont ÖDP-Landesgeschäftsführer Urban Mangold, der im Passauer Koordinationsbüro des Volksbegehrens sitzt.

Daß sich der Initiative der konservativen Umweltpartei die Bündnisgrünen, die FDP und nach einigem Zögern auch die SPD angeschlossen haben, wertet Mangold als „großen Erfolg“ für die bundesweit 6.800 Mitglieder zählende ÖDP. Bei den letzten Landtagswahlen in Bayern kam sie gerade mal auf 2,1 Prozent.

Mangold gibt dem Volksbegehren gute Chancen, da der „Gegenwind von der CSU im Vergleich zu früheren Volksbegehren wesentlich milder“ ausfalle. In der Tat hat sich die CSU Zurückhaltung auferlegt, befindet sich die Regierungspartei doch in einem Dilemma. Man will die Senatoren nahestehender Organisationen nicht im Regen stehenlassen, hat aber an der Existenzberechtigung des Senats seine Zweifel. So forderte schon 1961 der damalige bayerische Innenminister Alfred Seidl die Auflösung des Senats, und der CSU-Verfassungsexperte Manfred Weiß ist davon überzeugt, daß der Landtag auch ohne Senat weiterarbeiten werde „wie bisher“. Daß im Herbst 1996 der damalige Senatspräsident Walter Schmitt- Glaeser die Landtagsabgeordneten pauschal der Inkompetenz zieh, verärgerte viele CSU-Abgeordnete.

So flüchtet sich die CSU in die Formel „Ja zur Reform, Nein zur Abschaffung“ des Senats. In Briefen bietet die CSU-Landesleitung Hunderten von Organisationen Argumentationshilfen gegen das Volksbegehren an, aber eine „großangelegte Kampagne“ für den Senat werde es, so der stellvertretende CSU-Generalsekretär Joachim Herrmann, nicht geben. Die Verbände und der Senat sollten selbst deutlich machen, wofür das Gremium gut ist.

Damit hat der Senat offenbar seine Schwierigkeiten. Für rund 100.000 Mark wurde eine Münchner Werbeagentur engagiert. „Wir wollen uns nicht kampflos von ein paar Populisten und Zentralisten abschaffen lassen“, kündigte der amtierende Senatspräsident Heribert Thallmair, CSU-Bürgermeister in Starnberg, an. „Da stellen sich Leute hin, die in ihrem ganzen Leben noch nichts geleistet haben, und greifen uns an“, meint er über seine Kontrahenten.

Mit der Senkung des Eintrittsalters, einem höheren Frauenanteil und neuen Senatoren aus den Bereichen Jugend, Sport und Umweltschutz will Thallmair den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Als „Kleckerwerk“ kritisiert dagegen die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Sophie Rieger die geplanten Veränderungen. Daß im Falle eines Erfolgs mit der ÖDP die direkte Konkurrenz der Bündnisgrünen den Sieg für sich verbuchen kann, glaubt Rieger nicht. Jeder wisse doch, daß „die ÖDP dies allein nie zustande gebracht hätte“. Bernd Siegler