Urteil für „Aktion Rose“

■ Bewährungsstrafe für beteiligten Staatsanwalt bei Enteignungswelle 1953

Berlin (taz) – Die Enteignungswelle im Bezirk Rostock 1953, abgewickelt unter dem zynischen Euphemismus „Aktion Rose“ (in Thüringen gab es die „Aktion Kornblume“), war beispiellos. Nach Paragraph 1 der DDR-Wirtschaftsordnung wurden damals 440 Hotels und Pensionen sowie 181 Gaststätten und Unternehmen im Werte von etwa 30 Millionen Mark dem Staat einverleibt. Wer aufmuckte, wanderte in die Gefängnisse, und das waren mindestens 400 Personen. Als Haftgrund mußten Vorwände wie zum Beispiel ohne Bezugsscheine eingekaufte Marmelade, Heringe oder Streichhölzer herhalten.

44 Jahre danach verurteilte gestern das Oberlandesgericht Rostock einen damals bei der Aktion beteiligten Staatsanwalt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Der Angeklagte habe sich der Rechtsbeugung in neun Fällen, zum Teil in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bis zu sieben Jahren, schuldig gemacht, befanden die Richter. Mit ihrem Urteil folgten sie weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 22 Monate auf Bewährung gefordert hatte.

Es war ein sehr ungewöhnliches Verfahren, denn nicht über die Unrechtmäßigkeit der massenhaften Enteignung von Privatbesitz war zu verhandeln, sondern nur um die persönliche Schuld des Angeklagten. Reinhold S., damals 28jähriger „Volksrichter“ in Bützow – und in einem dreimonatigen Schnellkurs in DDR-Recht von Schlosser auf Staatsanwalt umgeschult –, exekutierte nur das, was vermutlich das SED-Zentralkomitee angeordnet hatte. Dies stellten die Richter eindeutig klar. Dennoch müsse Reinhold S. auch als „kleines, austauschbares“ Rädchen im Getriebe gewußt haben, daß seine Verhandlungen „Scheinverfahren“ ohne jegliche Rechtsgrundlage gewesen sind. Ziel sei einzig und alleine die Enteignung privater Hotels und Gaststätten zugunsten des Staates gewesen.

Der Verteidiger von Reinhold S. kündigte an, noch in dieser Woche Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. aku