Sprung in der Platte

■ Gesichter der Großstadt: Regierungssprecher Michael-Andreas Butz ist gut für langweilige Lesestunden und peinliche Bonmots. Kein aalglatter Jurist, kann er auch ehrlich sein

„Die Vorleserin“ hat bei Cineasten eine gewisse Berühmtheit erlangt. Die Verwandlung vorgetragener Lektüre in (erotische) Spannung fesselt das Publikum.

Die Lesestunden von Michael- Andreas Butz tun alles andere als das: Wenn der Regierungssprecher mit gleichförmigem Singsang von der „guten, kollegialen, freundschaftlichen Atmosphäre“ im total zerstrittenen Senat berichtet, rollt die Berliner Rathausjournaille die Augen. Anschließend legt sich Butz unmerklich den amtlich-trockenen Senatspressedienst zurecht – und liest vor. Unter seinem Schnauzbart dringt fortan nur eine gesprochene Kopie des langweiligen Druckwerks hervor. Kein Wort darüber hinaus. Vielleicht ein abermaliges Bekräftigen der guten Stimmung unter den SenatorInnen. Grinsen. Noch Fragen? Basta.

Das tragen ihm selbst befreundete Journalisten nach. Lesen könne er auch selber, brummte jüngst ein Springerscher Duzkollege von Butz. Da war das ansonsten so joviale Sprachrohr Eberhard Diepgens beleidigt. Ausgerechnet der Journalist, den Butz nach staatstragenden Ausführungen so gern mit ein paar strategischen Interna speist, mußte ihn bloßstellen. Vor der hungrigen Schreibermeute von sieben Hauptstadtzeitungen und weiteren drei, vier Sendern.

Senatssprecher Dr. Butz wird es verwinden. Zu steil war seine Karriere, als daß er über solcherlei professionellen Friktionen ins Grübeln käme. Als Dreißigjähriger trat Butz ins Bundesministerium des Innern ein. Keine vier Jahre später war er Sprecher des wichtigsten und konservativsten Ministeriums der Republik. An dessen Spitze stand damals Friedrich Zimmermann. Der CSU-Politiker, als gerichtlich beglaubigter Lügner oder kurz „Meineid-Fritze“ in die Geschichte eingegangen, war so etwas wie der politische Ziehvater von Butz. Das prägt. „Einfach, griffig, nicht immer ganz genau“, wird Butz' Mitteilungsstil euphemistisch beschrieben. Es gab Situationen, da stand Butz nahe davor, von allen Rathausjournalisten eine Gegendarstellung zu verlangen.

Aber aalglatt ist der Jurist aus Brüggen bei Hannover nicht. Der Vater von zwei Söhnen kann sich schnell in einen schulterklopfenden Kumpeltyp verwandeln. Unversehens duzt er, wenn auch in der wenig verfänglichen Ihr-Form, selbst linke Schreiberlinge. Wie eine Last scheint es dann von ihm abzusinken, daß er nicht mehr vor der Blue box des Pressezimmers 319 die harten Auseinandersetzungen der Senatsstreithähne glattbügeln muß. Er zupft am Arm, glänzt mit feiner Ironie, ist das, was er neben Eberhard Diepgen nicht sein darf: ehrlich, offen, nah.

Butz ist nicht allein Karrierist. Seine private Biographie zeigt einen jungen Mann, der schon in der Schule seine spätere Frau kennenlernt. Butz wird Vater, heiratet. Das Jurastudium wird zur Nebensache. In den Semesterferien jobbt er, ist „sich nicht zu schade“, wie er sagt, „am Bau Hand anzulegen“. Manche Nacht steht er auf, um seiner berufstätigen Frau den Schlaf zu ermöglichen, und kümmert sich um seinen Filius Benjamin.

Solche Formen von Ausgleich, von Streßbewältigung gibt es heute kaum mehr. Neben den Joggingrunden mit seinem Hund präsentiert sich Butz diszipliniert, um seinen harten 12-Stunden-Tag zu bewältigen. Beim gemeinsamen Essen trinkt er demonstrativ Pellegrino. Der schlanke, gut gekleidete Herr berichtet von einer Diät. Mit einer Mischung aus Verehrung und Verächtlichkeit erklärt er tapfer seinen Chef zum Vorbild. Der Regierende joggt jeden Tag und hat bereits zwölf Kilo runter. Nein, Alkohol sei für ihn kein Problem, berichtet Butz von einer vierzehntägigen Phase leichter Kost, die auch ihm manches Pfund abgenommen hat. Aber zwei Tage später wird ihn die B.Z. breit grinsend mit einem Bierglas in der Hand zeigen, eingerahmt von zwei seiner „schwarzen Freunde“, Bausenator Jürgen Klemann und dem CDU- Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky.

Butz mimt gern den Profi. Doch bei der dritten Nachfrage hat ihn die Miss Marple der Rathausreporter, Brigitte Grunert vom Tagesspiegel, mit ihren Fragen eingekreist. Dann zeigt seine Professionalität die Sprünge einer verkratzten Platte, die die immer gleiche Phrase dumpf repetiert. Es folgen Versprecher wie „Seriösigkeit“ statt Seriosität. Für „Flexibilität“ nimmt er dreimal Anlauf, oder er kreiert Bonmots: Da braucht man „sich keine langen Gedanken zu zerbrechen“. Nach solchen Konstruktionen ist die Einsamkeit des Sprechers vor der Meute zu greifen. Und die hellen, fröhlichen Augen des Regierungssprechers werden sehr, sehr traurig, wenn er zu einer weiteren Lesestunde anhebt. Christian Füller